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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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verbreitete einen silbrigen Schein. Jetzt wußte ich, was es war. Der Haufen leuchtete - etwas unter den losen Steinen schien zu strahlen. Und direkt darüber schwebte in die Wand geritzt ein riesiger Caduceus mit der Acht.
Im nächsten Moment knieten Lily und ich neben Carioca und schoben Steine und Geröll zur Seite. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis wir die erste Schachfigur ausgegraben hatten. Ich hob sie hoch und hielt sie in der Hand: ein wundervolles Pferd, das auf den Hinterbeinen stand. Es war etwa zehn bis zwölf Zentimeter groß und sehr viel schwerer, als es aussah. Ich knipste die Taschenlampe an und reichte sie Lily; dann betrachteten wir die Figur genau. Die Präzision der Arbeit war unglaublich. In feinstem Silber war in allen Einzelheiten ein Pferd nachgebildet, von den geblähten Nüstern bis zu den zierlichen Hufen - das Werk eines Meisters. Die Fransen am Sattel waren Faden für Faden zu sehen. Der Sattel und der Sockel waren wie die Augen des Pferdes mit polierten Edelsteinen belegt, die im Schein der Lampe in vielen Farben leuchteten.
„Unglaublich“, flüsterte Lily. Carioca scharrte immer noch. „Holen wir die anderen heraus.“
Wir wühlten so lange in dem Geröll, bis wir alle gefunden hatten. Die acht Figuren des Montglane-Schachspiels standen um uns herum auf den Steinen und glänzten matt im Mondlicht: der silberne Springer und vier kleine Bauern; sie trugen seltsame Togen mit einem Besatz, der vorne von oben bis unten verlief, und ihre Lanzen hatten gedrehte Spitzen; außerdem ein goldenes Kamel mit einem Turm auf dem Rücken.
Doch die beiden letzten Figuren waren am erstaunlichsten. Die eine war ein Elefant mit erhobenem Rüssel, auf dessen Rücken ein Mann saß. Die Figur war ganz aus Gold und glich der Elfenbeinschnitzerei auf der Abbildung, die Llewellyn mir gezeigt hatte. Es fehlten nur die Fußsoldaten. Es schien sich eher um das Porträt eines Mannes zu handeln, denn er hatte nicht die bei Schachfiguren üblichen stilisierten Züge, sondern ein edles Gesicht mit einer römischen Nase, allerdings mit breiten Nasenflügeln wie bei den negroiden Köpfen, die man in Ife in Nigeria gefunden hat. Die langen Haare fielen ihm auf die Schultern, einige der Locken waren geflochten und mit kleinen Edelsteinen geschmückt - der schwarze König.
Die letzte Figur war beinahe so groß wie der König, etwa fünfzehn Zentimeter hoch. Es war eine Sänfte mit geöffneten Vorhängen. In der Sänfte saß eine Gestalt im Lotossitz und blickte hinaus. Die mandelförmigen Smaragdaugen blickten hochmütig - beinahe wild. Die Gestalt hatte einen Bart, aber Brüste wie eine Frau.
„Die Dame“, sagte Lily leise, „in Ägypten und Persien trug die Königin einen Bart als Zeichen ihrer Macht. In alter Zeit hatte diese Figur weniger Macht als heutzutage, ihre Schlagkraft hat zugenommen.“
Wir sahen uns an und lächelten.
„Geschafft“, sagte Lily, „jetzt müssen wir nur noch einen Weg hinaus finden.“
Ich leuchtete die Höhlenwände mit der Taschenlampe ab. Es schien schwierig, aber nicht unmöglich.
„Ich glaube, ich kann mich am Felsen festhalten“, erklärte ich. „Wenn wir die Decken in Streifen schneiden, können wir daraus ein Seil machen. Ich lasse es herunter, wenn ich oben bin. Du bindest meine Tasche daran, und ich ziehe Carioca und die Figuren herauf.“
„Wunderbar“, sagte Lily, „und was wird aus mir?“
„Dich kann ich nicht hochziehen“, sagte ich, „du mußt klettern.“ Lily machte sich daran, die Decken mit meiner Nagelschere zu zerschneiden. Der Himmel über uns wurde langsam hell, als wir endlich die dicken Wolldecken in Streifen geschnitten und miteinander verknotet hatten. Ich zog die Schuhe aus.
Die Wände waren so rauh und uneben, daß die Füße sicheren Halt fanden. Es dauerte jedoch beinahe eine halbe Stunde, bis ich mit dem umgebundenen „Seil“ oben angekommen war. Keuchend schob ich mich hinaus. Es war heller Tag, und ich stand oben auf der Felswand, in die wir in der Nacht unten eingestiegen waren. Lily befestigte die Tasche am anderen Ende, und ich hievte zuerst Carioca herauf und dann die Figuren. Jetzt war Lily an der Reihe. Ich betrachtete und betastete vorsichtig die vielen Blasen und Kratzer an meinen wunden Füßen.
„Hör mal“, rief Lily zu mir herauf, „was ist, wenn ich stürze und mir ein Bein breche?“
„Dann muß ich dich erschießen“, erwiderte ich trocken, „du schaffst es schon - blick auf keinen Fall hinunter!“
Sie begann

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