Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
Vom Netzwerk:
aber das zweihundert Jahre alte Tagebuch befand sich Gott sei Dank in meiner kleinen Toilettentasche, und die war wasserdicht - hoffentlich!
    Ich überlegte gerade, was ich als nächstes tun sollte, als nicht weit von mir entfernt ein triefend nasses Etwas aus dem Wasser kroch. In der Dunkelheit sah es aus wie ein gerupftes Huhn, aber das jämmerliche Winseln überzeugte mich schnell davon, daß mir ein vor Kälte und Nässe zitternder Carioca in den Schoß sprang. Wie sollte ich ihn abtrocknen? Ich war selbst von Kopf bis Fuß naß. Also stand ich auf, hob ihn hoch und klemmte ihn mir unter den Arm. Dann lief ich in den Kiefernwald - das war der kürzere Weg zu meiner Wohnung als den Strand entlang.
    Ich hatte im Wasser einen Schuh verloren, also warf ich auch den anderen weg und lief barfuß über den weichen Teppich aus Kiefernnadeln. Dabei verließ ich mich darauf, daß mein Instinkt mir den richtigen Weg zum Hafen zeigen werde. Ich war etwa fünfzehn Minuten gegangen, als vor mir ein Ast knackte. Ich blieb wie erstarrt stehen und streichelte beruhigend den zitternden Carioca.
    Im nächsten Augenblick stand ich im hellen Scheinwerferlicht. Ich war geblendet, und mir blieb vor Schreck beinahe das Herz stehen. Vor mir tauchte ein Soldat mit einem Maschinengewehr auf. Die häßlichen Patronen hingen an der Seite herab. Er zielte auf meinen Magen.
    „Halt!“ schrie er unnötigerweise. „Wer sind Sie? Antworten Sie! Was tun Sie hier?“
    „Ich war mit meinem Hund schwimmen“, sagte ich und hielt Carioca als Beweis hoch. „Ich bin Katherine Velis. Ich kann Ihnen meinen Ausweis zeigen...“
Dann fiel mir ein, daß die Ausweise, die ich gerade aus der Tasche holen wollte, vor Nässe trieften. Außerdem mußte ich unter allen Umständen vermeiden, daß der Soldat meine Tasche untersuchte. Ich fing hastig an zu erzählen.
„Ich bin mit meinem Hund nach Sidi-Fredsch spazierengegangen“, sagte ich, „und der Tolpatsch ist ins Wasser gefallen. Ich mußte ihm nachspringen, um ihn zu retten. Aber die Strömung hat uns hierhergetrieben ...“ Ach du liebe Zeit, dachte ich, im Mittelmeer gibt es keine Strömungen. Schnell fuhr ich fort: „Ich arbeite für die OPEC, für Minister Kader. Er wird es Ihnen bestätigen. Ich wohne hier in der Nähe.“ Ich hob den Arm, und er hielt mir das Gewehr unter die Nase.
Also versuchte ich es mit einer anderen Strategie - ich spielte die arrogante Amerikanerin.
„Hören Sie, ich habe keine Zeit, ich muß dringend zu Minister Kader!“ fuhr ich ihn an und richtete mich würdevoll auf. Aber so tropfnaß wie ich war, muß es eher lächerlich ausgesehen haben. „Wissen Sie denn, wer ich bin?!“ Der Soldat sah sich unsicher nach seinem Kameraden um, der im Dunkeln stand.
„Nehmen Sie vielleicht an der Konferenz teil?“ fragte er und sah mich wieder an.
Ach so! Deshalb patrouillierten Soldaten hier im Wald! Deshalb auch die Straßensperre. Deshalb wollte Kamel, daß ich am Wochenende wieder in Algier war. Die OPEC-Konferenz hatte begonnen!
„Aber ja“, versicherte ich. „Ich gehöre zur algerischen Delegation. Man wird sich schon fragen, wo ich bin.“
Der Soldat trat zu seinem Kameraden und unterhielt sich mit ihm auf arabisch. Dann schalteten sie den Scheinwerfer aus, und der andere, ein älterer Mann, sagte entschuldigend:
„Madame, wir werden Sie zu Ihrer Gruppe zurückbringen. Die Konferenzteilnehmer versammeln sich gerade zum Bankett im Restaurant du Port. Vielleicht möchten Sie sich vorher noch umziehen?“
Ich hielt das für eine sehr gute Idee. Sie fuhren mich im Jeep zu meiner Wohnung und warteten unten. Ich eilte hinauf, trocknete mir mit dem Fön die Haare und, so gut es ging, auch Cariocas langes Fell. Dann zog ich mir schnell etwas Passendes an.
Ich konnte es nicht wagen, die Schachfiguren in der Wohnung zurückzulassen. Ich suchte mir einen Stoffbeutel und verstaute sie zusammen mit Carioca darin. Mireilles Tagebuch war feucht geworden, aber Gott sei Dank nicht unlesbar. Ich blätterte in den Seiten und hielt den Fön darüber. Dann steckte ich es auch in den Beutel. Ich eilte zu meiner Eskorte, die mich zum Hafen hinunterbrachte.
Das Restaurant du Port war ein riesiger Bau mit hohen Decken und Marmorböden. Ich hatte hier oft zu Mittag gegessen, als ich noch im El-Riadh wohnte. Wir gingen durch die lange Kolonnade mit den hohen maurischen Bögen, die sich an dieser Stelle am Hafen entlangzog, und stiegen die breiten Treppen vom Ufer zu den hell erleuchteten

Weitere Kostenlose Bücher