Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
schlug die Weinflaschen von den Tischen. Die Anwesenden saßen stumm auf ihren Platzen, keiner regte sich, während rechts und links die Flaschen auf dem Marmorboden zerschellten.
Boumedienne erhob sich mit einem Seufzer und sagte schnell etwas zu dem Geschäftsführer, der zu ihm geeilt war. Dann ging der algerische Staatspräsident mit den traurigen Augen die wenigen Stufen hinunter und wartete auf den wütenden Mann, der mit großen Schritten auf ihn zukam.
„Wer ist das?“ fragte ich Kamel leise.
"Muammar Ghaddafi von Libyen“, antwortete Kamel ruhig. „Er hat heute in seiner Rede vor den Delegierten erklärt, daß die Gläubigen des Islam keinen Alkohol trinken sollen. Wie ich sehe, läßt er auf seine Worte Taten folgen. Man munkelt, er habe professionelle Killer damit beauftragt, prominente OPEC-Minister zu ermorden.“
„Ja, das stimmt“, sagte der puttenhafte Jamani und lächelte, „mein Name steht ganz oben auf der Liste.“ Es schien ihn nicht weiter zu beunruhigen.
„Aber warum?“ fragte ich Kamel. „Nur weil sie Alkohol trinken?“
„Weil wir der Ansicht sind, unsere Maßnahmen müßten sich auf ein wirtschaftliches Embargo beschränken und kein politisches mit einschließen“, erwiderte er. Dann sagte er mit zusammengebissenen Zähnen: „Der Moment ist günstig. Also, was ist los? Wo sind Sie gewesen? Scharrif hat das ganze Land auf den Kopf gestellt, um Sie zu finden. Er wird Sie wohl kaum hier verhaften, aber Sie sind in großen Schwierigkeiten.“
„Ich weiß“, flüsterte ich zurück und blickte in den Saal hinunter, wo Boumedienne ruhig auf Ghaddafi einsprach. Er hielt das lange, traurige Gesicht gesenkt, und deshalb konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen. Die Kellner beseitigten inzwischen die Scherben auf dem Boden und brachten neue Flaschen.
„Ich muß mit Ihnen unter vier Augen sprechen“, fuhr ich fort. „Ihr persischer Freund hat meine Freundin geschnappt. Vor einer halben Stunde bin ich noch die Küste entlang geschwommen. In meinem Stoffbeutel sitzt ein nasser Hund - und außerdem habe ich da drin etwas, das Sie interessieren dürfte. Ich muß schnellstens hier raus...“
„Oh...“, stöhnte Kamel nur leise, „soll das heißen, Sie haben sie wirklich? Hier?“ Er sah sich nach unseren Tischnachbarn um und tarnte seine Panik mit einem Lächeln.
„Sie sind also auch mit im Spiel“, flüsterte ich und lachte leise.
„Weshalb hätte ich Sie sonst hierhergeholt“, erwiderte er leise. „Ich hatte meine liebe Mühe und Not, eine Erklärung dafür zu finden, weshalb Sie so kurz vor der Konferenz spurlos verschwunden sind.“
„Darüber können wir später sprechen. Aber jetzt muß ich hier weg und Lily retten.“
„Überlassen Sie das mir, ich werde mir etwas einfallen lassen. Wo ist sie?“
„La Madrague“, hauchte ich.
Kamel bekam große Augen, aber in diesem Augenblick erschien Houari Boumedienne wieder am Tisch und setzte sich. Alle lächelten in seine Richtung, und König Faisal sagte auf englisch:
„Oberst Ghaddafi ist nicht verrückt, wie es den Anschein haben mag“, und seine großen, feuchten Falkenaugen richteten sich auf den algerischen Staatspräsidenten. „Sie erinnern sich an die Konferenz der neutralen Staaten, als sich jemand über Castros Anwesenheit beklagte - erinnern Sie sich an seine Worte?“ Der König wandte sich an Jamani, seinen Minister, der rechts neben mir saß. „Oberst Ghaddafi hat damals erklärt, wenn ein Land von dieser Konferenz ausgeschlossen werde, nur weil es Geld von den beiden Supermächten erhalte, dann sollten wir alle unsere Koffer packen und nach Hause fahren. Er beendete seine Rede, indem er eine Liste verlas mit den Wirtschafts- und Militärabkommen der Hälfte aller anwesenden Länder — und man muß sagen, seine Liste stimmte. Ich würde ihn nicht als einen religiösen Fanatiker abstempeln, o nein, das nicht.“
Boumedienne sah mich jetzt an. Dieser Mann war allen ein Rätsel. Niemand kannte sein Alter oder seine Herkunft und seinen Geburtsort.
Seit seinem Erfolg als Anführer der Revolution vor zehn Jahren und dem Militärputsch, durch den er Staatspräsident geworden war, hatte er Algerien in die erste Reihe der OPEC gebracht und zur Schweiz der dritten Welt gemacht.
„Mademoiselle Velis“, sagte er und sprach mich zum ersten Mal an, „haben Sie bei Ihrer Arbeit im Ministerium bereits die Bekanntschaft von Oberst Ghaddafi gemacht?“
„Nein“, erwiderte ich.
„Merkwürdig“, sagte Boumedienne,
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