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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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ihn zu verschenken.“
Sie nahm das Glas, das ich ihr reichte, und leerte es in einem Zug. Dann schlenderte sie zwischen den Bäumen hin und her und blieb schließlich vor dem Bild stehen, an dem ich gearbeitet hatte, als sie mir durch ihr Auftauchen meinen Sonntag ruinierte.
„Ach, kennst du den?“ fragte sie plötzlich und wies auf den Mann, den ich gemalt hatte - ein ganz in Weiß gekleideter Radfahrer, der über ein Skelett fuhr. „Oder hast du den Typ da unten nur als Modell genommen?“
„Was für ein Typ?“ fragte ich, setzte mich auf den Klavierstuhl und sah Lily an. Ihre Lippen und Fingernägel leuchteten in glänzendem Rot. In Verbindung mit der blassen Haut verlieh ihr das die Aura einer lüsternen Opern-Kundrie, die einen unschuldigen Parsifal betört oder dafür sorgt, daß der Fliegende Holländer zur ewigen Ruhelosigkeit verdammt ist. Aber dann dachte ich, Caissa, die Muse des Schachs, war nicht weniger erbarmungslos, als die Muse der Dichtung. Musen hatten es so an sich, alle zu töten, die ihnen verfielen.
„Der Mann auf dem Fahrrad“, sagte Lily, „war genauso gekleidet - mit Kapuze und Schal. Ich habe ihn eigentlich nur von hinten gesehen. Wir hätten ihn beinahe überfahren. Er mußte auf den Gehweg ausweichen.“
„Ach wirklich?“ fragte ich überrascht. „Für mich ist es eine reine Phantasiegestalt.“
„Das Bild ist erschreckend“, meinte Lily, „wie ein Mann, der in den Tod fährt. Es war auch irgendwie unheimlich, wie der Mann um das Haus herumgefahren ist, als lauerte er jemandem auf...“
„Was sagst du da?“ In meinem Unterbewußtsein meldete sich eine Stimme: Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, des Name hieß Tod. Wo hatte ich das gehört?
Carioca kläffte nicht mehr, sondern gab leise, knurrende Laute von sich. Der winzige Hund scharrte in einem meiner Orchideentöpfe und beförderte die Kieferrindenschnipsel auf den Boden. Ich ging zu ihm, nahm ihn hoch, setzte ihn in den eingebauten Schrank und machte die Tür zu.
„Wie kannst du es wagen, meinen Hund in deinen Schrank zu sperren?!“ rief Lily empört.
„In diesem Haus sind Hunde nur erlaubt, wenn sie in einer geschlossenen Kiste sitzen“, erklärte ich, „und ich habe keine geeignete Kiste. Also sag mir, mit welchen guten Nachrichten kommst du? Ich habe dich seit Monaten nicht gesehen.“ Gott sei Dank, dachte ich.
„Harry gibt ein Abschiedsessen für dich“, sagte sie, setzte sich auf den Klavierstuhl, goß sich das Glas noch einmal voll und trank gierig. „Er sagt, du kannst dir den Tag aussuchen. Er will höchstpersönlich kochen.“
Carioca kratzte mit seinen kleinen Pfoten an der Schranktür, aber ich überhörte es.
„Welche Ehre!“ sagte ich. „Wie wäre es mit Mittwoch? Ich fliege vermutlich am nächsten Wochenende.“
„Gut“, sagte Lily. Jetzt hörte man dumpfes Poltern aus dem Schrank, Carioca warf sich mit seinem sehnigen Körperchen offensichtlich gegen die Schranktür. Lily rutschte unruhig auf dem Klavierstuhl hin und her. „Darf ich meinen Hund aus dem Schrank holen? Bitte...“
„Willst du gehen?“ fragte ich hoffnungsvoll.
Ich nahm die Pinsel aus der Blechdose und ging zum Spülbecken, um sie auszuwaschen, als sei Lily bereits nicht mehr da. Sie schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: „Ich frage mich gerade, ob du heute nachmittag etwas vorhast.“
„Meine Pläne scheinen sich heute nicht verwirklichen zu lassen“, rief ich aus der Kochnische, während ich flüssige Seife in das heiße Wasser gab, auf dem sich sofort Schaum bildete.
„Sag mal, hast du Solarin schon einmal spielen sehen?“ fragte sie mit einem schwachen Lächeln und sah mich mit ihren großen grauen Augen an .
Ich ließ die Pinsel in das Wasser gleiten und wart ihr einen verständnislosen Blick zu. Das klang verdächtig nach einer Einladung zu einem Schachturnier. Aber Lily ging prinzipiell nie als Zuschauerin zu einem Schachturnier.
„Wer ist Solarin?“
Lily sah mich entgeistert an, als hätte ich sie gerade gefragt, wer die Königin von England sei. „Ich habe vergessen, daß du keine Zeitungen liest!“ entgegnete sie dann, „alle reden darüber. Es ist das politische Ereignis des Jahrzehnts! Man hält ihn für den besten Schachspieler seit Capablanca. Er ist ein Genie. Und man hat ihn zum ersten Mal seit drei Jahren wieder aus Rußland herausgelassen ...“
„Ich dachte immer, Bobby Fischer sei der beste Schachspieler der Welt“, erwiderte ich und wusch die Pinsel im

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