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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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stand zwar zum Schluß bei über zweitausendfünfhundert Punkten, aber es sind nur fünf Spieler anwesend, die zwischen mir und ihm stehen. Und weil ich so früh gegen ihn antreten muß, habe ich keine Chance, mich in anderen Spielen vorzubereiten.“
Nun war die Katze aus dem Sack. Der ehemalige Theaterproduzent wollte mit dem Turnier soviel öffentliches Aufsehen erregen wie möglich und hatte Lily ursprünglich aus Gründen der Publicity eingeladen. Der Mann wollte Eintrittskarten verkaufen, und Lily galt als die Josephine Baker des Schachs. Ihr fehlten nur noch der Ozelot und die Bananen. Nun da er in Solarin einen noch größeren Trumpf hatte, brauchte er Lily nicht mehr und konnte sie opfern. Er ließ sie bereits im zweiten Spiel gegen Solarin antreten, um sie wegzuwischen. Dem Mann war es völlig gleichgültig, daß dieses Turnier Lily den langersehnten Titel einbringen konnte. Plötzlich fand ich, daß die Schachwelt sich nur wenig von der Welt der vereidigten Wirtschaftsprüfer unterschied.
„Okay, ich habe verstanden“, sagte ich und ging zum Flur.
„Wohin willst du?“ fragte Lily erschrocken.
„Ich werde jetzt duschen“, rief ich über die Schulter zurück.
„Duschen?“ rief sie leicht hysterisch. „Wozu denn das?“
„Ich muß duschen und mich umziehen, wenn wir in einer Stunde bei dem Schachturnier sein wollen.“
Lily starrte mich stumm an, dann überwand sie ihre Ungeduld und lächelte.
    Ich fand es verrückt, Mitte März mit offenem Verdeck zu fahren, wenn die Wolken Schnee verhießen und die Temperatur unter den Gefrierpunkt gesunken war. Lily fror in ihrem Pelzcape natürlich nicht. Carioca war vollauf damit beschäftigt, mit den Zobelschwänzen zu kämpfen und sie auf dem Wagenboden zu verteilen. Ich hatte nur einen schwarzen Wollmantel an, und mir war schrecklich kalt.
    „Hast du kein Verdeck?“ fragte ich mit klappernden Zähnen.
    „Laß dir doch von Harry einen Pelzmantel machen. Das ist sein Metier, und er betet dich an.“
„Das hilft mir jetzt wenig“, erwiderte ich. „Aber erklär mir bitte, weshalb das Spiel praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit im Metropolitan Club stattfindet. Ich dachte, der Veranstalter möchte für Solarins erstes Spiel im Westen seit Jahren so viele Zuschauer wie möglich.“
„Du hast ein Herz für Veranstalter“, sagte Lily, „aber Solarin spielt heute gegen Fiske. Ein öffentliches Spiel anstelle einer ruhigen Veranstaltung im kleinen Kreis hatte ein Fehlschlag werden können. Fiske ist nicht nur ein bißchen verrückt...“
„Wer ist Fiske?“
„Anthony Fiske“, erklärte sie und zog den Pelz enger um sich, „ist wirklich ein großer Spieler, ein englischer GM, aber er gehört zur Zone fünf, weil er in Boston lebte, als er noch an Wettkämpfen teilnahm. Es überrascht mich, daß er sich zu dem Spiel bereit erklärt hat, denn er ist seit vielen Jahren bei keinem Turnier mehr in Erscheinung getreten. Bei seinem letzten Spiel bestand er darauf, daß alle Zuschauer den Saal verließen. Er glaubte, der Raum sei voller Abhörgeräte, und sprach von geheimnisvollen Schwingungen, die seine Gehirnwellen beeinträchtigten. Alle Schachspieler befinden sich am Rande des Wahnsinns, aber keine Angst, ich werde nicht verrückt. Das passiert nur Männern.“
Dein Vater ist da anderer Meinung, dachte ich, schwieg aber.
Der hellblaue Rolls Corniche fuhr vor dem Metropolitan Club in der Sechzehnten Straße direkt hinter der Fifth Avenue vor. Saul ließ uns aussteigen. Lily übergab ihm Carioca und stürmte durch den überdachten Zugang an der Seite des gepflasterten Vorplatzes zum Clubgebäude. Saul hatte während der Fahrt nichts gesagt, aber jetzt zwinkerte er mir zu. Ich hob die Schultern und folgte Lily.
Der Metropolitan Club ist ein düsteres Überbleibsel des alten New York. Es ist ein privater Herrenclub, in dem sich seit dem letzten Jahrhundert nichts verändert zu haben scheint. Der ausgebleichte rote Teppich in der Eingangshalle hätte eine gründliche Reinigung nötig gehabt, und das dunkle gedrechselte Holz am Empfang hätte wieder einmal poliert werden müssen. Aber das große Foyer machte die mangelnde Gepflegtheit der Empfangshalle wett.
Dieser riesige, neun Meter hohe Saal mit klassizistischen Stuckverzierungen und vergoldeten Blattranken an der Decke lag direkt hinter der Halle. In der Mitte hing ein großer Leuchter; an zwei Seiten gab es Ränge mit Balkonen, deren kunstvoll gearbeitete Geländer an einen venezianischen Innenhof

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