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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Solarin mochte vielleicht Schlagzeilen machen, aber in New Yorker Schachkreisen würde Lily Rads Anwesenheit bei dem Spiel die Gemüter möglicherweise noch mehr erregen. Sie gehörte zu den Spitzenspielerinnen in den Vereinigten Staaten, und ganz bestimmt war sie im wahrsten Sinne des Wortes die auffallendste Erscheinung in der Schachwelt.
Mit zusammengepreßten Lippen sagte sie: „Ich spiele in der nächsten Woche gegen den Gewinner von heute.“
„Ach so! Jetzt verstehe ich“, sagte ich. „Solarin ist vermutlich der Sieger, und da du noch nie gegen ihn gespielt hast und bestimmt auch keine Artikel über seine Technik gelesen hast.. .“
Ich ging zur Schranktür und öffnete sie. Carioca streckte vorsichtig den Kopf heraus. Dann sprang er auf meinen Fuß und begann, mit einem losen Faden meiner Espadrilles zu kämpfen. Ich sah ihm einen Augenblick lang zu, hob ihn dann mit der Fußspitze hoch und beförderte ihn mit einem Schlenker auf einen Stapel Kissen in der Ecke. Er wälzte sich vor Vergnügen und begann sofort, mit seinen spitzen, kleinen Zähnen Federn herauszuziehen.
„Ich verstehe nicht, weshalb er so an dir hängt“, sagte Lily.
„Bei Hunden geht es immer nur um die Frage, wer Herr im Haus ist“, erwiderte ich. Lily schwieg.
Wir beobachteten Carioca, der die Kissen untersuchte, als sei dort ein Schatz vergraben. Ich verstand zwar wenig von Schach, aber ich wußte sehr genau, wann ich im Vorteil war. Der nächste Zug war nicht meine Sache.
„Du mußt mich begleiten“, sagte Lily schließlich.
„Ich glaube, das ist die falsche Formulierung“, erwiderte ich trocken.
Lily stand auf und kam herüber. Sie sah mir fest in die Augen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie wichtig das Turnier für mich ist“, sagte sie. „Hermanold hat die Schachrichter bewogen, zuzustimmen, daß dieses Turnier für die internationale Plazierung zählt, indem er jeden GM und IM der Zone fünf eingeladen hat. Mit einer guten Plazierung und Punktezahl wäre ich in die großen Meisterschaften gekommen. Vielleicht hätte ich das Turnier sogar gewonnen - wenn Solarin nicht aufgetaucht wäre.“
Die Feinheiten der Plazierung von Schachspielern waren ein Mysterium, das wußte ich. Noch geheimnisvoller war die Zuerkennung der Titel wie Großmeister (GM) und Internationaler Meister (IM). Man hätte annehmen sollen, daß bei einem so mathematischen Spiel wie Schach die Richtlinien der Spielerhierarchie etwas klarer sind, aber alles funktioniert wie bei einem guten alten Herrenclub. Ich hatte Verständnis für Lilys Gereiztheit, aber trotzdem wunderte mich etwas,
„Was macht es schon, wenn du bei dem Turnier Zweite wirst?“ fragte ich. „Du bleibst trotzdem die Spitzenspielerin der Vereinigten Staaten -“
„Spitzenspielerin! Ja, du sagst es, ich bin eine Frau!“ Lily sah mich an, als wolle sie vor mir ausspucken. Mir fiel ein, daß es zu ihren Grundsätzen gehörte, nie gegen eine Frau zu spielen. Schach ist ein von Männern beherrschtes Spiel, und wenn man gewinnen will, muß man Männer schlagen. Lily wartete bereits seit über einem Jahr auf den IM-Titel, der ihr bereits zustand, wie sie glaubte. Und jetzt verstand ich: Das Turnier war für sie wichtig, denn man würde ihr den Titel nicht länger vorenthalten können, wenn sie einen Gegner besiegte, der in der Plazierung über ihr stand.
„Du hast eben keine Ahnung“, sagte Lily, „es ist ein K.O.-Turnier. In seinem zweiten Spiel muß ich gegen Solarin antreten, vorausgesetzt, wir gewinnen beide unser erstes Spiel, und daran zweifelt niemand. Wenn ich gegen ihn spiele und verliere, scheide ich aus dem Turnier aus.“
„Und du glaubst nicht, daß du ihn besiegst?“ fragte ich. Dieser Solarin mochte ein großer Könner sein, aber es verblüffte mich, daß Lily eine mögliche Niederlage in Betracht zog.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie aufrichtig. „Mein Schachtrainer glaubt, ich verliere. Er sagt, Solarin kann mich nach seiner Pfeife tanzen lassen und mir die Hosen runterziehen. Du ahnst nicht, was es heißt, im Schach zu verlieren. Ich will nicht verlieren.“ Sie biß die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.
„Müssen sie dich nicht am Anfang gegen Leute deiner Klasse spielen lassen?“ fragte ich, denn ich glaubte so etwas einmal gehört zu haben.
„In den USA gibt es nur ein paar Dutzend Spieler, die bei über zweitausend vierhundert Punkten stehen“, sagte Lily düster, „und offenbar nehmen nicht alle an diesem Turnier teil. Solarin

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