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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Seltsam, ich hatte mir nie vorstellen können, daß Nim tatsächlich irgendwo wohnte. Er tauchte auf und verschwand wie ein Geist.
„Ja, in der Tat“, erwiderte er und sah mich mit seinen verschiedenfarbigen Augen an. „Das wirst du vielleicht bald als einzig lebender Mensch bezeugen können. Wie du weißt, schütze ich mein Privatleben vor dem Zugriff der Welt. Ich werde für uns kochen. Du kannst bei mir schlafen.“
„Moment mal...“
„Mit Logik und Vernunft hast du offenbar wenig im Sinn“, sagte Nim. „Vorhin hast du erklärt, du seist in Gefahr. Du hast in den letzten achtundvierzig Stunden erlebt, wie zwei Männer ermordet worden sind, und man hat dir gesagt, daß du irgendwie in die Sache verwickelt bist. Du willst doch nicht allen Ernstes die Nacht allein in deinem Apartment verbringen?“
„Ich muß morgen ins Büro“, erwiderte ich.
„Kommt nicht in Frage“, erklärte Nim energisch. „Du läßt dich erst wieder in New York blicken, wenn wir der Sache auf den Grund gekommen sind.“
Die Straße entfernte sich etwas von der Küste. Im milchigen Mondlicht sah ich auf beiden Seiten sorgfältig geschnittene hohe Hecken, hinter denen sich herrschaftliche Anwesen verbargen. Hin und wieder konnte ich kurz einen Blick auf große Herrenhäuser werfen, die inmitten schneeweißer Rasenflächen lagen. So etwas hatte ich in der Nähe von New York noch nicht gesehen. „Was weißt du eigentlich über Solarin?“ fragte ich unvermittelt.
„Über ihn weiß ich nur, was ich in Schachzeitschriften gelesen habe“, erwiderte Nim. „Alexander Solarin ist sechsundzwanzig Jahre alt, Bürger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Er ist auf der Krim als Waise in einem staatlichen Heim aufgewachsen. Als Neun- oder Zehnjähriger hat er einen Heimleiter beim Schach vernichtend geschlagen. Offenbar haben ihm Fischer am Schwarzen Meer das Schachspielen beigebracht, als er vier war. Man hat ihn sofort in den Palast der jungen Pioniere gesteckt.“
Der Palast der jungen Pioniere war das einzige moderne Institut der Welt, das es sich zur Aufgabe setzte, Schachmeister hervorzubringen. In Rußland ist Schach nicht nur ein Nationalsport, sondern ein verlängerter Arm der Weltpolitik und gilt als das intellektuellste aller Spiele. Die Russen glauben, daß sie ihre lange Vormachtstellung ihrer intellektuellen Überlegenheit verdanken.
„Wenn Solarin im Palast der jungen Pioniere war, bedeutet das, er wurde politisch stark gestützt?“ fragte ich.
"Das hätte es bedeuten müssen“, erwiderte Nim. Der Wagen näherte sich wieder der Küste. Auf dem Asphalt lag eine dicke Sandschicht. Die Straße endete in einer breiten Auffahrt vor einem großen schmiedeeisernen Tor. Nim drückte ein paar Knöpfe an seinem Armaturenbrett, und die beiden Torflügel öffneten sich. Wir fuhren in ein Walddickicht mit dicken Schneemützen. Ich kam mir vor wie bei der Schneekönigin im ‚Nußknacker’.
„Aber“, erzählte Nim weiter, „Solarin lehnte es ab, favorisierte Spieler gewinnen zu lassen. Bei russischen Turnieren ist das eine strikte Regel der politischen Etikette. Es wird allgemein kritisiert, aber die Russen halten daran fest.“
Auf der Zufahrt zum Haus war der Schnee nicht geräumt. Hier war seit längerer Zeit kein Wagen gefahren. Die Äste hoher Bäume wölbten sich über den Weg wie Bögen in einem Dom und versperrten die Sicht auf den Garten. Schließlich erreichten wir ein Rondell mit einem Springbrunnen in der Mitte. Das Haus ragte dunkel vor uns auf. Es hatte hohe Giebel, und auf den Dächern sah ich jede Menge Schornsteine.
„So“, sagte Nim, half mir beim Aussteigen und nahm mir das Bild ab. Mühsam stapften wir durch den Schnee zur Haustür. Nim schloß auf.
Wir betraten eine riesengroße Eingangshalle. Nim drückte auf einen Lichtschalter. Ein großer Kristalleuchter strahlte auf. Die Fußböden im Parterre bestanden aus glänzend polierten Schieferplatten, die wie Marmor schimmerten. Im Haus war es so kalt, daß ich meinen Atem sehen konnte. An den Rändern der Schieferplatten hatten sich feine Eiskristalle gebildet. Nim führte mich durch eine Reihe dunkler Räume in eine Küche an der Rückseite dieses märchenhaften Hauses. An den Wänden und von der Decke hingen noch die alten Gaslampen. Nim stellte das Bild ab und entzündete die Wandlampen - alte Kutschenlampen -, die alles in ein gemütliches, warmes Licht tauchten.
Die riesige Küche war etwa neun mal fünfzehn Meter groß. An der Rückseite führten

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