Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
unpopuläres Fach, das überhaupt nichts mit der nationalen Verteidigung zu tun hat. Hier in den USA kann man es nur an wenigen Colleges als Hauptfach studieren. Vielleicht entwirft er in Rußland Konzertsäle, falls sie dort so etwas überhaupt noch bauen.“
Nim stellte einen Topf auf den Herd, verschwand in der Vorratskammer und kam mit einem Berg Gemüse und Fleisch wieder zurück.
„Ich habe auf der Zufahrt keine Wagenspuren bemerkt“, sagte ich, „und es hat seit Tagen nicht geschneit. Woher kommen also die exotischen Pilze und der frische Spinat?“
Nim lächelte mich zufrieden an, als hätte ich eine wichtige Prüfung bestanden. „Du hast die richtigen detektivischen Fähigkeiten. Du wirst sie brauchen“, murmelte er und begann, den Spinat zu waschen. „Der Hausmeister erledigt das Einkaufen für mich. Er benutzt nur den Seiteneingang.“
Er packte ein frisches Roggenbrot aus und öffnete eine Dose Forellenpaste. Er bestrich damit eine dicke Scheibe Brot, bestreute sie mit frischem Dill und reichte sie mir. Ich hatte nicht richtig gefrühstückt und das Mittagessen kaum angerührt. Das Brot schmeckte köstlich. Das Essen noch köstlicher. Es gab geschnetzeltes Kalbfleisch in Orangensauce, frischen Spinat mit Pinienkernen und dicke, saftige Fleischtomaten, die Nim garte und mit einer Zitronen-Apfel-Sauce servierte. Die großen, leicht angebratenen Austernpilze gab es als Zwischengang. Auf das Hauptgericht folgte ein gemischter Salat mit Löwenzahn und gerösteten Haselnüssen.
Nachdem Nim abgeräumt hatte, brachte er eine Kanne Kaffee und servierte ihn mit einem Schuß Tuaca. Wir setzten uns in die weichen Sessel vor dem Kamin. Das Feuer war inzwischen heruntergebrannt, und die rote Glut verströmte wohltuende Wärme. Nim zog jetzt die Papierserviette mit der Prophezeiung der Wahrsagerin aus seiner Lederjacke und betrachtete sehr lange Llewellyns Druckbuchstaben. Dann reichte er mir den Text und stand auf, um frisches Holz auf die Glut zu legen.
„Was ist an diesen Sätzen ungewöhnlich?“ fragte er. Ich las sie noch einmal, wußte aber keine Antwort.
„Du weißt natürlich, daß der vierte Tag im vierten Monat mein Geburtstag ist“, sagte ich. Nim nickte nur. „Die Wahrsagerin beschwor mich, es keinem Menschen zu sagen“, fügte ich hinzu.
„Wie üblich hältst du dein Wort, koste es, was es wolle“, sagte er trocken und legte noch mehr Holzscheite nach. Dann ging er zu einem Tisch in der Ecke, nahm ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber und setzte sich wieder neben mich. „Sieh mal“, sagte er. Er schrieb den Text in sauberen Druckbuchstaben, diesmal aber in Verszeilen. Er sah dann so aus:
Ja, diese Linien sind ein Schachbrett, sind ein Code.
Aber so ist es auch mit dem vierten Tag im vierten Mond. Dann riskier wie sie den Zug und sei bereit.
Oh, ein weiteres Patt darf nicht sein, sonst wird keiner verschont. Urteile im Spiel, ob als Metapher, ob in Wirklichkeit. Brennt die eiskalte Schlacht, und Schwarz ist bedroht. Ewig währt der arge Zwist, der sie entzweit. Kämpf um das Geheimste, die Dreiunddreißigunddrei, bis zum Tod. Versiegelt ewig schweigt sonst der Mund, und das Wagnis lohnt. „Was siehst du hier?“ fragte Nim und musterte mich so intensiv wie ich seine Version des Gedichts. Ich wußte nicht so recht, worauf er eigentlich hinauswollte. „Sieh dir den Aufbau des Gedichts an“, sagte er etwas ungeduldig. „Du kannst doch mathematisch denken, versuch das jetzt anzuwenden.“ Ich sah mir das Gedicht wieder an, und plötzlich entdeckte ich es. „Das Reimschema ist ungewöhnlich“, antwortete ich stolz. Nim zog die Augenbrauen hoch und riß mir das Papier aus der Hand. Er bückte auf das Gedicht und begann zu lachen. „Stimmt“, sagte er und gab mir das Blatt zurück. „Es war mir
entgangen. Also los, nimm den Stift und schreib das Reimschema auf.“
Ich tat es.
„Code-Mond-bereit (A-B-C), verschont-Wirklichkeit-bedroht (B-C-A), entzweit-Tod-lohnt (C-A-B).“
„Aha, das ist also das Reimschema“, sagte Nim und schrieb es noch einmal darunter. „Jetzt mußt du Nummern statt Buchstaben einsetzen und sie addieren.“ Ich schrieb die Nummern neben die Buchstaben, und dann sah es folgendermaßen aus:
ABC 123 BCA 231 CAB 312 666
„666... Moment mal, wie heißt es in der Offenbarung des Johannes: ‘Wer Verstand hat, der deute die Zahl des Tieres; denn es ist die Zahl eines Menschen, und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.’“
„Richtig, das
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