Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Gefahr geraten“, erzählte ich, „und jetzt bin ich in Gefahr. Diese Morde -“
„Meine liebe Kat“, sagte Nim lachend, „eine Wahrsagerin?“
„Nicht nur sie hat mich gewarnt“, fauchte ich und grub meine Fingernägel in die Handfläche. „Hast du schon einmal etwas von Alexander Solarin gehört?“ Nim schwieg einen Augenblick.
„Der Schachspieler?“ fragte er schließlich. „Er hat mir auch gesagt...“ begann ich mit kläglicher Stimme, denn mir wurde bewußt, daß alles, was ich zu sagen hatte, so unwahrscheinlich klang, daß kein Mensch mir glauben
würde. „Wie kommt es, daß du Alexander Solarin kennst?“ wollte Nim wissen. „Ich war gestern auf dem Schachturnier. Er kam zu mir und sagte, ich sei in Gefahr. Er sagte das ziemlich nachdrücklich.“
„Vielleicht hat er dich verwechselt“, meinte Nim. Es klang, als denke er nach. „Möglicherweise“, sagte ich, „aber heute morgen in der UNO hat er mir klar -“ „Einen Augenblick“, unterbrach mich Nim, „ich glaube, ich verstehe das Problem. Wahrsagerinnen und russische Schachspieler verfolgen dich und flüstern dir geheimnisvolle Warnungen ins Ohr. Tote tauchen vor dir auf... Sag mal, was hast du heute gegessen?“ „Hm, ein Sandwich und ein Glas Milch.“
„Verfolgungswahn, hervorgerufen durch Unterernährung“, rief Nim fröhlich. „Pack deine sieben Sachen. Ich hole dich in fünf Minuten mit dem Wagen ab. Wir essen etwas Vernünftiges, dann werden diese Phantasien schnell verschwinden.“
„Es sind keine Phantasien., sagte ich, aber ich war erleichtert, daß Nim mich abholen wollte, denn dann würde ich wenigstens sicher nach Hause kommen. „Das kann ich besser beurteilen“, erwiderte er. „Von hier, wo ich stehe, siehst du viel zu dünn aus. Aber dein roter Hosenanzug ist sehr attraktiv.“
Ich sah mich verwirrt im Büro um, dann blickte ich auf die Straße vor dem UNO-Gebäude. Die Straßenbeleuchtung brannte, aber der Gehweg lag fast völlig im Dunkeln. Dann entdeckte ich eine Gestalt in der Telefonzelle neben der Bushaltestelle. Der Mensch dort hob den Arm. „Übrigens, Kleines“, hörte ich Nims Stimme durch das Telefon, „ich finde, wenn du dich in Gefahr glaubst, dann solltest du nach Einbruch der Dunkelheit nicht hinter hellerleuchtetem Fenster auf und ab tanzen. Das ist natürlich nur ein Ratschlag.“ Er legte auf. Nims dunkelgrüner Morgan hielt vor dem Eingang von Con Edison. Ich lief hinaus, riß die Wagentür auf und saß im nächsten Moment auf dem Beifahrersitz. Der Wagen hatte Trittbretter und einen Boden aus Holzdielen. Man sah durch die Ritzen auf die Straße.
Nim trug verwaschene Jeans, eine teure italienische Fliegerlederjacke und um den Hals einen weißen Seidenschal mit Fransen. Seine kupferroten Haare wurden vom Fahrtwind zerzaust, als er anfuhr. Ich fragte mich wieder einmal, warum so viele meiner Freunde im Winter mit offenem Verdeck fuhren.
„Also, wir fahren erst bei dir vorbei, damit du dir etwas Warmes anziehen kannst“, sagte Nim. „Wenn du möchtest, gehe ich mit einem Minensuchgerät voraus.“ Infolge einer genetischen Laune hatten Nims Augen verschiedene Farben - das eine war braun, das andere blau. Ich hatte bei ihm immer den Eindruck, als sehe er mich an und durch mich hindurch. Das irritierte mich sehr.
Wir hielten vor meinem Apartmenthaus. Nim stieg aus, begrüßte Boswell und drückte ihm einen Zwanzigdollarschein in die Hand.
„Es wird nicht lange dauern“, sagte er. „Könnten Sie vielleicht meinen Wagen im Auge behalten, während wir oben sind? Er ist eine Art Erbstück.“
„Aber gewiß, Sir“, erwiderte Boswell höflich. Es fehlte nur noch, daß er mir den Wagenschlag aufhielt und beim Aussteigen half. Erstaunlich, was Geld alles bewirkte - selbst bei Boswell.
Ich ließ mir meine Post geben. Der Umschlag von Fulbright Cone mit meinen Tickets war abgegeben worden. Dann fuhren Nim und ich mit dem Fahrstuhl nach oben.
Nim besah sich meine Wohnungstür und erklärte, ein Minensuchgerät sei nicht nötig. Wenn jemand in der Wohnung gewesen sei, dann mit einem Schlüssel. Wie die meisten Apartments in New York hatte meine mit Eisen verstärkte Tür ein Sicherheitsschloß und zwei Schließriegel.
Nim ging durch den Flur voraus ins Zimmer.
„Ich finde, eine Putzfrau einmal im Monat würde hier Wunder wirken“, sagte er. „Für die Spurensicherung bei Verbrechen mag es zwar von Vorteil sein, aber sonst sehe ich keinen Grund dafür, daß du soviel Staub
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