Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
zeigten sich der klare blaue Himmel und der ruhig dahinfließende Hudson mit seinen Fähren, kleinen Jachten und Segelbooten. Alles wurde eingerahmt von einer Reihe üppig grüner Bäume, die so nah an meinen Fenstern standen, dass es in meinem Büro fast wie in einem verzauberten Wald aussah.
Doch um 8:46 Uhr störte ein seltsames Geräusch, ein lauter Knall, die Ruhe und hallte durch meine Wohnung. Das ganze Gebäude schien zu erzittern. Anfangs ignorierte ich es. Da in der Nachbarschaft ständig gebaut wurde, dachte ich, dieser Knall wäre reine Routine – obwohl er sehr laut gewesen war.
Ich blickte verdutzt auf den Fluss, sah jedoch nichts und kehrte zu meiner Arbeit zurück.
Dann klingelte das Telefon.
»Mach den Fernseher an!«, befahl Pearl ungewöhnlich aufgeregt. »Am World Trade Center ist ein Flugzeug zerschellt. Sieh es dir an.« Sie legte wieder auf.
Ich schaltete den kleinen Fernseher in meinem Arbeitszimmer ein und stellte fassungslos fest, dass der Nordturm des WTC brannte.
Ich lief ins Wohnzimmer. Von dort aus hatte ich einen direkten Blick auf die Twin Towers.
Der Flugzeugabsturz und die Explosion kamen mir sehr merkwürdig vor. Wie konnte eine in den Fernsehberichten als »kleines Passagierflugzeug« beschriebene Maschine versehentlich in ein derart riesiges Gebäude fliegen?
Als Rauch und Flammen aus dem Tower schlugen, machte ich die surreale Erfahrung, die Ereignisse im Fernsehen und gleichzeitig direkt aus meinem Fenster sehen zu können.
Wäre es ein Montag gewesen und nicht Dienstag, hätte ich mich persönlich im WTC aufgehalten. Ich wäre auf dem Weg von der Subway-Haltestelle zu meinem ehrenamtlichen Job gewesen, um Menschen, die sich in einer Krise befanden, am Telefon zu beraten. Täglich ging ich in den Türmen ein und aus, abgesehen von der Subway-Haltestelle war ich oft im Einkaufszentrum oder im Drugstore, am Zeitungskiosk, in der Bäckerei, in den Bekleidungsgeschäften, dem Hotel und der Bank.
Einige meiner Nachbarn arbeiteten in den Türmen, und viele von ihnen waren an diesem Tag dort.
Und jetzt hatte eine Gruppe von Al-Qaida-Terroristen eine Maschine der American Airlines, Flug Nr. 11, entführt und in den Nordturm gelenkt. Über sechshundert Menschen waren auf der Stelle tot.
Anfangs schien es, als wäre die Katastrophe unter Kontrolle.
Doch siebzehn Minuten später ließ eine zweite Gruppe von Flugzeugentführern den Flug Nr. 175 der United Airlines in den zweiten Turm rasen.
Sobald ich das im Fernsehen gesehen hatte, wusste ich, dass ich etwas tun musste; denn unsere Wohnanlage lag sehr nah an den Türmen und war womöglich als Nächstes dran.
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich die hohen Sirenen der Polizei und Feuerwehr hörte, die immer lauter anschwollen, da sie alle an einer Stelle zusammenströmten. Ich schob Katie ins Schlafzimmer, holte meine Schlüssel und meine Brieftasche und rannte nach unten in die Lobby.
Es herrschte ein wildes Durcheinander.
Halb bekleidete Bewohner rannten in Panik aus der Drehtür, manche waren in Tränen aufgelöst, andere stellten besorgt Fragen.
Durch die Verglasung der Lobby sah ich, wie die Leute schreiend herumhasteten, manche sprangen über die Hecken und eilten Richtung Fluss.
Überall waren verängstigte Mütter mit ihren Kinderwägen, und wussten nicht, was sie tun sollten.
Feuerwehrleute schwärmten in der Anlage aus, auch sie bestürzt und ratlos.
Bewohner bestürmten unseren versteinert dastehenden Pförtner Felipe mit Fragen nach Evakuierungsplänen für das Gebäude.
»Sie müssen hier raus!«, lautete sein schroffer Befehl. »Verlassen Sie das Gebäude, gehen Sie Richtung Süden.«
Eine Frau, die ich bis dahin noch nie gesehen hatte – und seitdem auch nie wieder –, lag mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Boden neben der Couch. Ich hastete nach oben und holte eine Rolle Küchentücher, Pflaster und Wasser, doch als ich wieder nach unten kam, war sie verschwunden.
Ich rannte wieder hoch und hämmerte an Pearls Tür. Als sie aufmachte, wirkte sie erschüttert und bleich wie unter Schock.
»Wir müssen jetzt gehen«, sagte sie, schloss die Tür ab und verließ ihre Wohnung ohne Handtasche. Nur die Schlüssel hielt sie fest umklammert. Sie war nicht warm genug angezogen, sie trug nur eine ärmellose lachsfarbene Bluse und einen grauen Tweedrock. Wahrscheinlich dachte sie, dass sie bald wieder zu Hause sein würde.
»Granny«, sagte ich, »geh nach unten und warte an der Theke auf mich. Ich
Weitere Kostenlose Bücher