Katie und der Dom
entdeckte. Sie nahm ihren inzwischen getrockneten BH und Slip aus dem Handtuchtrockner und zog sich langsam wieder an. Als sie ihre Handtasche nach einem Kamm durchwühlte, warf sie vorsichtig einen Blick in den Spiegel, weil sie vermutete, dass ihre Haare inzwischen ein einziges Durcheinander waren. Und als sie es tat, erkannte sie für einen kurzen Moment ihr eigenes Spiegelbild nicht wieder.
Ihre Wangen glühten, ihre Augen leuchteten, und ihr dunkles Haar hing schwer, nass und lockig auf ihre Schultern herab. War das wirklich dieselbe Frau, die noch vor wenigen Stunden bis kurz vor Feierabend dicke Bücher in Regale einsortiert hatte? Sie war sich nicht sicher. Und dann tauchte Liam neben ihr auf. Er war bereits angezogen und trug ihre Mäntel über dem Arm. Das einzige Anzeichen dafür, was soeben in diesem Raum stattgefunden hatte, war sein immer noch nasses Haar. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, und sie fragte sich, woran er gerade dachte. Sie wusste, dass er sich keine Gedanken über sie machte, denn sie konnte ihm ansehen, dass er genau wusste, was sie gerade fühlte.
Liam half ihr in ihren Mantel, und sie ließ sich erneut von ihm führen. Diesmal verließen sie das Gebäude durch die Vordertür. Später verabschiedeten sie sich auf dem leeren Parkplatz vor der Bibliothek, und während sie dort zwischen ihrem Honda und seinem Maserati standen, begann es wieder zu schneien.
„Fahr vorsichtig.“ Er rückte ihr den Mantel am Hals so zurecht, dass ihr der Schnee nicht vorn in den Ausschnitt fiel. Ihr Haar war immer noch feucht, und sie zitterte schon wieder leicht vor Kälte.
„Liam, sind wir... bist du...?“ Sie wusste nicht, wie sie die Frage am besten formulieren sollte geschweige denn, was sie ihn eigentlich fragen wollte.
„Schhht...“ Er zog sie an sich und küsste sie – es war ihr erster Kuss nach allem, was geschehen war, seit sie sich vor einer Woche zum ersten Mal in diesem Kellerraum begegnet waren, in dem Katie nackt und zitternd vor ihm gekniet und er sie aus ihrer misslichen Lage befreit hatte. Sie konnte gar nicht glauben, dass dies ihr erster richtiger Kuss war, aber es stimmte. Sie musste noch immer daran denken, als er seine Arme um ihre Hüfte schlang, sich über sie beugte und seinen Mund auf ihre Lippen drückte. Sie genoss seine warmen und weichen Lippen und seine Zunge, mit der er weich und zärtlich in sie eindrang und mit ihrer Zunge spielte.
Sie stand auf Zehenspitzen in ihren hohen Stöckelschuhen vor ihm, schlang ihre Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss aus Leibeskräften. Sie ließ ihren Mund, ihre Zunge und ihren ganzen Körper sprechen, damit er verstand, wie sehr sie ihn begehrte und dass sie mehr wollte – viel mehr. Als sie sich wieder voneinander lösten, waren beide völlig außer Atem, und sie spürte, dass er ihre Botschaft verstanden hatte.
„Ich hab in der nächsten Woche viel zu tun.“ Liam schloss seine Augen und lehnte seine Stirn gegen ihre Stirn. „Ich ruf dich am Freitag an.“
Eine Woche? Eine ganze Woche? Sie protestierte mit ihrem ganzen Körper und drängte sich an ihn, und Liam stöhnte auf, als sie ihn erneut mit ihrem gierigen und hungrigen Mund küsste, während sie ihren schmalen Oberschenkel sanft zwischen seinen muskulösen Beinen rieb.
„Sachte“, murmelte er, und sie war sich nicht sicher, ob er damit sie oder sich selbst meinte. „Warte bis nächsten Freitag. Lies mein Buch. Dann sehen wir weiter.“
Das Buch. Sie hatte es beinahe vergessen. Doch eigentlich hatte sie auch gar keine Lust mehr, immer nur darüber zu lesen – sie wollte es endlich tun !
„Gute Nacht, Katie.“
Er wartete, bis sie in ihren Honda eingestiegen war und sich angeschnallt hatte, bevor er in seinen kleinen roten Sportwagen stieg. Sie startete den Motor, schob den Automatik-Schalthebel auf D und winkte ihm zum Abschied zu, während sie sich fragte, wie in aller Welt sie die nächste Woche überhaupt durchstehen sollte.
* * * *
Lori hatte ihr prophezeit, dass sie es nicht bis Montag aushalten würde, aber sie irrte sich. Katie hielt es bis zum Mittwoch aus. An diesem Tag saß sie hinter dem Ausgabeschalter und schlug zwischen den einzelnen Ausleihen die Zeit tot, indem sie auf Facebook herumstöberte. Passenderweise wimmelte es dort heute nur so von Beiträgen, in denen sich alles darum drehte, dass mit dem heutigen Tag bereits die zweite Hälfte der Arbeitswoche angebrochen war, was das Ganze für sie aber nur noch schlimmer machte.
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