Katrin mit der großen Klappe
warf
sich in die Brust.
„Und ich“, ließ sich Ruth
hinter ihrem nassen Taschentuch vernehmen, „bin der Richter!“
„Hochinteressant“, sagte
Katrin, „dann, werter Herr Richter...“ Sie machte eine spöttische Verbeugung
vor Ruth, „erlauben Sie mir wohl, daß ich Ihren Staatsanwalt anzeige! Er ist
ein ganz gemeiner Schnüffler und ein Dieb...“
„Halt!“ schrie Silvy. „Das geht
nicht! Man kann den Staatsanwalt nicht verklagen!“
„So? Kann man nicht? Aber ich
tu’s, damit du es nur weißt! Du hast mein Aufsatzheft geklaut... oder willst du
das etwa leugnen!“
„Ich habe es beschlagnahmt“,
verteidigte sich Silvy.
„Und mit welchem Recht?!“
Jetzt mischte sich Leonore ein.
„Darüber“, sagte sie, „können wir uns später unterhalten. Ich bin mit Katrin
der Meinung, daß Silvy sich das Aufsatzheft nicht aneignen durfte...“
„Ich auch!“ rief Ruth.
„Aber darum geht es ja gar
nicht“, rief Olga.
„Doch! Gerade!“ beharrte
Katrin.
„Nein“, widersprach ihr
Leonore. „Ich bin dafür, wir stellen diese Frage jetzt erst einmal zurück, bis
wir den Fall Katrin geklärt haben. Wer ist dafür?“
Silvy, Ruth, Olga und Leonore
hoben die Hand zum Zeichen ihres Einverständnisses.
„Erledigt“, sagte Leonore.
„Also...“
„Und ich werde wohl überhaupt
nicht gefragt?“ schrie Katrin.
„Warte ab! Wir werden dir
Gelegenheit geben, dich zu verteidigen“, sagte Silvy.
„Erst möchte ich mal wissen,
weswegen ich überhaupt angeklagt sein soll!“
„Weil du eine unverschämte
Lügnerin und Angeberin bist!“ rief Silvy. Sie zog Katrins Aufsatzheft, das sie
unter ihrem Pullover hatte, hervor. „Dieser Aufsatz hier beweist das schwarz
auf weiß! Du behauptest, daß dein Vater ein berühmter Schauspieler wäre...“
„Na und? Hast du was dagegen?“
rief Katrin.
„Moment mal“, sagte Leonore.
„Kann ich mal ein Wort unter vier Augen mit Katrin sprechen?“ Ohne die
Genehmigung der anderen abzuwarten, zog sie Katrin am Ärmel in die äußerste
Ecke des großen Raumes. „Sag einfach, daß du nicht verpflichtet bist, dich in
einem Aufsatz an die Wahrheit zu halten“, flüsterte sie. „Sag, daß du nichts
über den wirklichen Beruf deines Vaters zu erzählen gewußt hast und daß du
deswegen...“
Katrin fiel ihr ins Wort. „Du
spinnst wohl!“ sagte sie laut und befreite sich von ihrem Griff. „Was ich
geschrieben habe, stimmt. Ich wollte nicht, daß ihr es erfuhrt, deshalb habe
ich das Heft so schnell verstaut. Aber es stimmt... mein Vater ist ein
berühmter Schauspieler!“ Sie warf mit einem Ruck ihre schwarze, glänzende Mähne
in den Nacken.
„Wer’s glaubt, wird selig!“
rief Olga.
„Und warum hast du uns das bis
heute verschwiegen?“ krähte Ruth.
„Weil meine Eltern nicht
wollen, daß ich darüber spreche, deshalb, und weil ich mich nicht vor euch
hervortun wollte!“
„Quatsch!“ sagte Silvy. „Ich
glaube dir kein Wort. Und Möhrchen auch nicht. Weißt du, was sie dir darunter
geschrieben hat?“
„Woher sollte ich?“ fragte
Katrin spitz. „Du hast mir ja keine Gelegenheit gelassen, es zu lesen.“
Silvy schlug das Heft auf und
las: „Thema verfehlt. Eine wirklichkeitstreue Betrachtung war gefordert, keine
Phantasterei!“ Sie ließ das Heft sinken. „Na, was sagst du jetzt?“
„Auch Lehrerinnen können sich
irren“, erklärte Katrin in aller Seelenruhe.
„Ha, ha, ha!“
„Sie weiß nicht, wer mein Vater
ist, und außerdem versteht sie auch nichts von seinem Beruf. Da habt ihr die
Lösung des Rätsels.“
Die Sicherheit, mit der Katrin
ihre Behauptung vorbrachte, begann allmählich doch die anderen Mädchen zu
beeindrucken. Ihnen fiel das vornehme Haus am Heckenrosenweg ein, der große
gepflegte Garten, das Schwimmbassin und der rassige Collie.
„Wenn das wirklich so ist“,
sagte Olga, „dann wäre es aber nicht nett von dir, daß du uns bisher nie etwas
davon erzählt hast!“ Sie schob die Unterlippe vor.
„Weil ich nicht durfte!“
trumpfte Katrin auf.
„Und warum nicht?“ fragte
Silvy, immer noch mißtrauisch. „Jetzt bin ich aber wirklich gespannt, wie du
uns das erklären willst.“
„Höchst einfach.“ Katrin setzte
eine Miene auf, als wenn sie sich gezwungen sähe, begriffsstutzigen Kindern das
Abc beizubringen. „Mein Vater ist ein Star, versteht ihr? Er hat massenhaft
Fans, wenn ihr zufällig wißt, was das ist...“
„Na klar“, sagte Olga, „Wir
sind doch nicht von gestern.“
„Na, und eben
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