Katrin mit der großen Klappe
sehr viel milder.
„Deshalb haben uns Silvy und
Olga ja auch geschickt! Weil sie... nun, es ist ihnen eben furchtbar
peinlich...“, stotterte Ruth.
„Das soll es ihnen auch sein!“
„Bist du ihnen noch böse?“
fragte Leonore.
„Ach wo!“ Katrin setzte beide
Füße zu Boden. „Woher denn? Was hätte das für einen Zweck!?“
„Hurra!“ Ruth machte einen
wahren Luftsprung. „Habe ich es nicht gleich gesagt?! Katrin ist nicht
nachtragend, sie kann einen Spaß verstehen.“
„Aber nur, wenn er gut ist“,
brummte Katrin. Sie setzte ganz bewußt eine finstere Miene auf, weil sie die
Freundinnen auf keinen Fall merken lassen wollte, wie erleichtert sie darüber
war, daß sie die Geschichte mit dem berühmten Vater tatsächlich geschluckt
hatten.
Ruth und Leonore nahmen sie
links und rechts bei der Hand und führten sie im Triumphzug zu Silvy und Olga,
die ziemlich kläglich auf dem Rand des Brunnens vor dem Schulhaus hockten. Als
die Freundinnen sich näherten, rutschten sie herunter und kamen ihnen entgegen.
„Es war nicht so gemeint,
Katrin“, brachte Silvy mit unendlicher Selbstüberwindung hervor, „wir... also
eigentlich hättest du uns schon früher sagen können, wer dein Vater ist! Wer
konnte das denn riechen!“
„Schon gut“, sagte Katrin
gnädig. „Vergessen und vergeben! Ich mache euch ja keinen Vorwurf daraus. Reden
wir über etwas anderes!“
„Aber nein!“ rief Olga. „Wieso
denn? Jetzt mußt du uns doch alles über deinen Vater erzählen! Hat er schon in
Amerika gefilmt? Kommen oft berühmte Gäste zu euch ins Haus? Wie benimmt er
sich, wenn er ganz privat ist?“
„Bitte, bitte“, flehte Ruth.
„Nenn uns seinen Namen! Wir werden es bestimmt, ganz bestimmt, hundertprozentig
niemandem weitererzählen!“
„Nein“, sagte Katrin mit
Entschiedenheit. „Das kommt nicht in Frage. Glaubt ihr denn, ich wollte die
Karriere meines Vaters in Gefahr bringen?“
Sie brachte das so überzeugend
heraus, daß alle sie ganz ehrfurchtsvoll anstarrten.
„Bitte, seid friedlich,
Kinder“, bat Katrin. „Habt Verständnis für mich! Vielleicht... eines Tages...
werde ich mein Inkognito lüften...“
„Dein... was?“ fragte Olga.
„Sie wird dann sagen, wer sie
wirklich ist“, übersetzte Silvy. „Und das nennt man inko... na ja, eben dieses
Wort!“
„Wenn Pierre Brice sich in
einem Hotel als Peter Müller einträgt, dann ist das inkognito!“ erklärte Silvy
ungeduldig.
„Ach so“, sagte Ruth, „wenn man
einen falschen Namen angibt!“
„Nein, so nicht, du Dumme!“
ließ sich Katrin von oben herab vernehmen. „Wenn ein berühmter Mensch so tut,
als wenn er jemand ganz Gewöhnliches wäre, verstehst du?“
„Und du bist so berühmt?“
„Nicht ich, sondern mein
Vater!“ Katrin stieß einen tiefen übertriebenen Seufzer aus. „Seid mir nicht
böse, Freunde, aber ich glaube, wir wechseln doch besser das Thema! Ihr
versteht von diesen Dingen nun mal nichts... nicht, daß ich euch einen Vorwurf
daraus mache, woher solltet ihr auch! Aber es ist mir wirklich zu umständlich,
euch das alles zu erklären!“
„Nein, nein, nein!“ schrien die
anderen. „Kommt gar nicht in Frage!“ — „Drücken gilt nicht!“ — „Jetzt wollen
wir es genau wissen!“
Und wohl oder übel mußte Katrin
ihr Märchen weiterspinnen. Nicht etwa, daß ihr das schwergefallen wäre, o nein,
sie hatte sehr viel Phantasie, und sie hatte genügend über das Leben der Film-
und Schlagerstars gelesen, um sich eine Menge überzeugender Einzelheiten
auszudenken. Aber es war ihr bewußt, daß sie, je mehr sie erzählte, sich immer
tiefer und tiefer in ihr eigenes Lügennetz verstrickte. Wie sollte das nur
enden?
Vorläufig glaubten ihr ja alle.
Außer Silvy. Aber die war nicht etwa mißtrauisch, weil sie tatsächlich daran
zweifelte, daß Katrin die Wahrheit sagte, sondern nur, weil sie schwer ertragen
konnte, daß nicht sie, sondern Katrin jetzt im Mittelpunkt des
Freundinnenkreises stand.
„Für die Tochter von einem
Filmstar“, sagte sie spöttisch, „bist du aber verflixt mies angezogen!“
„Wenn du mal einen Blick in
meine Kleiderschränke tun dürftest, würdest du deine Meinung wahrscheinlich
ändern“, gab Katrin hochnäsig zurück.
„Kleiderschränke, ha, ha, ha!“
„Schränke, ja, ob du’s glaubst
oder nicht! Ich habe mehr Partykleider als du Schulkleider, und Röcke und
Blusen und Pullover für jeden Tag! Ich habe jede Menge, so viel, daß ich sie
noch nie gezählt
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