Katrin mit der großen Klappe
diese Fans dürfen
nicht erfahren, daß er schon so eine große Tochter hat wie mich! Sie dürfen
nicht einmal wissen, daß er verheiratet ist.“
„Das ist möglich“, gab Ruth zu.
„So etwas Ähnliches habe ich schon mal gelesen!“
Silvy sah Katrin aus schmalen
Augen an. „Und wie heißt, bitte, dein Vater?“
„Das möchtest du wohl gerne
wissen, meine Liebe? Aber da hast du dich geschnitten!“
„Es gibt keinen berühmten
Schauspieler namens Bär!“
„Ihr habt wohl noch nie etwas
von einem Künstlernamen gehört, wie?“
„Weil es nicht wahr ist!“
„Nein, sondern weil ich es
nicht verraten darf.“ Mit einem raschen Griff schnappte Katrin das Aufsatzheft
und riß es Silvy aus der Hand. „Ihr habt mich gezwungen, euch so viel zu
erzählen, damit ihr mich nicht für eine Lügnerin haltet. Aber gebt euch keine
Mühe. Mehr bekommt ihr nicht aus mir heraus.“ Sie sah von einem der Mädchen zum
anderen. „Ich nehme an, daß die Sitzung hiermit geschlossen ist, oder?“
„Du wolltest doch noch Silvy
verklagen!“ erwiderte Ruth. „Danke. Darauf kann ich verzichten!“
Katrin marschierte zur Türe,
und niemand dachte daran, sie aufzuhalten. Sie verließ das Haus mit dem
erhebenden Gefühl, das letzte Wort gehabt zu haben.
Aber ob sie die Freundinnen
tatsächlich überzeugt hatte?
Heldin des Tages
Am nächsten Morgen machte sich
Katrin mit einem gewissen Zittern und Zagen auf den Weg zur Schule. Als sie
Olga und Ruth, Arm in Arm, vor sich hergehen sah, lief sie nicht, wie sie
normalerweise getan hätte, zu ihnen, sondern verhielt vielmehr den Schritt,
ging bewußt ganz langsam, um sie nur ja nicht einzuholen. Sie richtete es so
ein, daß sie als letzte, kurz vor dem Läuten, die Klasse betrat.
Ihr war gar nicht wohl in ihrer
Haut, und weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, tarnte sie sich mit einer
arroganten und beleidigten Miene.
Sie erwiderte Leonores Gruß —
wie erleichtert sie war, daß Leonore sie grüßte — mit einem leichten
Kopfnicken, übersah Silvys Lächeln vollkommen.
In der ersten Stunde hatte die
6a Deutschunterricht. Frau Dr. Mohrmann ließ von Katrin die Aufsatzhefte mit
den Verbesserungen einsammeln.
„Findest du, daß ich dir
unrecht getan habe, Katrin?“ fragte sie, als sie den Stoß im Klassenschrank
einschloß.
„Nein, durchaus nicht“,
erwiderte Katrin eisig.
Frau Dr. Mohrmann lächelte.
„Na, das nächste Mal wird es bestimmt wieder besser klappen“, sagte sie.
In der kleinen Pause stützte
Katrin die Ellbogen auf den Tisch, preßte die Fäuste vor die Ohren und
vertiefte sich scheinbar angelegentlich in ihr Erdkundebuch. Aber es entging
ihr nicht, daß die Freundinnen miteinander tuschelten und immer wieder zu ihr
hinüberschauten.
Sobald die große Pause gekommen
war, machte Katrin sich selbständig. Sie verließ die Klasse, ohne nach links
und rechts zu sehen oder, wie sonst, auf die anderen zu warten, lief über den
Schulhof und ließ sich im entferntesten Winkel des Wäldchens auf einem
Baumstumpf nieder. Hier verzehrte sie ihr Butterbrot, das ihr heute wie Stroh
schmeckte, und versuchte mit ihrem Unbehagen fertig zu werden.
Dann aber, als sie Leonore und
Ruth auf sich zukommen sah, fühlte sie sich sofort wieder ganz groß. Sie wußte,
daß die beiden als Abordnung der Freundinnen kamen, und sie dachte nicht daran,
es ihnen leicht zu machen, sondern blickte ganz bewußt in eine andere Richtung.
„Hallo, Katrin“, sagte Leonore
ziemlich zaghaft.
„Hei!“ Katrin zog die
Augenbrauen hoch und blickte die beiden an, als wenn sie Wesen aus einer
anderen Welt vor sich hätte.
„Wir wollten nur sagen...“
begann Ruth, verlor aber dann den Faden und stieß Leonore an.
„Es tut uns leid, Katrin“,
sagte Leonore.
„Was?“
„Na eben... alles!“ Leonore
machte eine flatternde Handbewegung.
„Wir konnten ja nicht wissen,
wer du wirklich bist“, piepste Ruth.
„Nun, dann gebe ich euch den
guten Rat, euch eure Mitmenschen in Zukunft etwas genauer anzusehen, bevor ihr
auf ihnen herumtrampelt“, erklärte Katrin von oben herab und ließ ihren Blick
in weite Ferne schweifen.
„Wer ist auf dir
herumgetrampelt?“ rief Leonore.
„Das fragst du noch?“
„Also, wir sind gekommen, um
dir zu sagen, daß es uns leid tut!“ rief Ruth. „Was erwartest du sonst noch von
uns? Wir haben uns entschuldigt. Sollen wir jetzt etwa auch noch vor dir auf
die Knie fallen?“
„Ihr beide habt mir ja gar
nichts getan“, sagte Katrin
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