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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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sich jedes Mal hundeelend. Er verabscheute sich selbst für die Dinge, die er in solchen Augenblicken tat, aber er konnte trotzdem nicht damit aufhören.
    Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Klebriger Schweiß blieb an seinen Fingern hängen. Nein, er wollte keine Gewalt mehr anwenden. Er wusste, dass das alles nur noch schlimmer machte. Er starrte auf den Fluss, der ruhig und gemächlich unter der Brücke hindurch glitt. Aber was blieb ihm anderes übrig? Er musste etwas tun. Sie ließ ihm keine andere Wahl. Sie war ihm zu nah gekommen. Er wollte das nicht. Wirklich nicht. Aber er musste einschreiten. Es war Notwehr. Er oder sie. Einer würde auf der Strecke bleiben. Er musste sich ihrer annehmen. Die Frage war nur wie?
    Plötzlich nahm er Bewegungen auf der schmalen Deichstraße wahr. Zwei Autos fuhren an ihm vorbei. Eins davon war eindeutig ein Polizeiwagen. Dann tauchte ein drittes Auto auf. Es war ein kleiner Transporter. Sie hielten unter der Brücke. Ihm stockte der Atem. Sie konnten doch nicht …
    Mehrere Männer stiegen aus. Einige trugen Polizeiuniformen, zwei andere waren in Zivil. Er konnte durch die schmierige, regennasse Scheibe kaum etwas erkennen. Aber er traute sich nicht, den Scheibenwischer einzuschalten. Er hatte das Gefühl, dass jede Bewegung ihn verdächtig wirken lassen würde. Er wagte kaum zu atmen. Die Männer öffneten die rückwärtige Tür des Transporters. Einer von ihnen blickte zu seinem Wagen herüber. Einen Moment lang glaubte er, der Mann würde zu ihm kommen. Aber dann wandte er sich wieder ab.
    Er versuchte die Erstarrung abzuschütteln. Er musste hier weg. Schnell. Behutsam drehte er den Zündschlüssel im Schloss. Dann steuerte er vorsichtig auf die kleine Gruppe unter der Brücke zu, um nach rechts in den Batterieweg einbiegen zu können. Während er das Lenkrad einschlug, beobachtete er jede Bewegung der Polizisten.
    Einer der Männer in Zivil starrte konzentriert in seine Richtung. Einen Augenblick lang stockte ihm der Atem. Aber dann bemerkte er, dass der Beamte nach einem anderen Auto Ausschau hielt, das langsam den Deich entlang gefahren kam. Der Polizist hatte ihn offensichtlich gar nicht wahrgenommen. Aber er hatte ihn erkannt. Es war Hauptkommissar Halverstett .
    Halverstett studierte den trostlos grauen Himmel. Es sah nicht so aus, als würde es sich innerhalb der nächsten Stunden aufklären. Er schüttelte sich. Selbst unter der Brücke herrschte eine unangenehme Feuchtigkeit, die einem in die Kleidung kroch und den Körper frösteln ließ.
    Einer der Polizeibeamten sprach ihn an: „Die Taucher sind soweit.“
    Der Kommissar nickte. Dann wandte er sich an den älteren Mann, der gerade mit Rita Schmitt zusammen auf dem Deich eingetroffen war.
    „Herr Schier, können Sie sagen, von wo aus in etwa der Mann das Bündel geworfen hat?“
    Der Mann warf einen abschätzenden Blick auf die Brücke. Man konnte ihm ansehen, dass er die Angelegenheit ernst nahm und sich sehr wichtig fühlte.
    „Schwer zu sagen“, antwortete er schließlich. „Es war dunkel. Aber ich würd sagen, vielleicht so’n gutes Drittel die Brücke runter. Nicht ganz von der Mitte. Mehr hier rüber.“
    Kommissar Halverstett registrierte, wie sehr er sich bemühte, akkurates Hochdeutsch zu sprechen. Er rief den zwei Tauchern, die abwartend in der Nähe standen, ein paar Anweisungen zu und lächelte dann den Zeugen an.
    „Danke, Herr Schier.“
    „Glauben Sie, dass Sie was finden?“
    „Das kommt darauf an. Wenn der Mann die Sachen gut beschwert hat, liegen sie womöglich irgendwo auf dem Grund. Aber ich fürchte, die Strömung hat sie längst weitergetrieben. Wahrscheinlich schwimmt die Tüte schon irgendwo im Duisburger Hafen herum. Oder sie ist noch weiter weg. Wir haben auf jeden Fall den Kollegen flussabwärts Bescheid gesagt, und auch die Polizei in den Niederlanden ist informiert.“
    Er drehte sich weg und beobachtete, wie der erste Taucher sich von dem kleinen aufblasbaren Polizeiboot rückwärts ins Wasser fallen ließ. Ihn schauderte. Obwohl es in letzter Zeit hieß, dass der Rhein wieder sauber sei, wäre er doch um nichts in der Welt in dieses eiskalte, trübe Wasser gesprungen. Als Kind hatte er oft an der Düssel gespielt. Sie plätscherte gemächlich durch die Wiesen und Felder seines Heimatortes und schlängelte sich dann durch das Neandertal auf Düsseldorf zu. Er und die anderen Jungen hatten kleine Boote aus alten Zeitungen gefaltet und sie auf das Wasser gesetzt.

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