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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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lassen, bis sie endlich Robertas verschlafene Stimme hörte.
    „Ja bitte?“
    „Hab ich dich etwa geweckt? Es ist doch erst neun Uhr.“
    „Ich hab mich zu David ins Bett gelegt, damit er schneller einschläft und da muss ich wohl eingenickt sein.“
    „Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht stören.“
    „Ich bin froh, dass du mich geweckt hast. Ich will doch nicht mit meinen Kindern ins Bett gehen. Den ganzen Tag freue ich mich darauf, dass ich abends ein paar Stunden für mich habe. Die will ich doch nicht verpennen.“
    „Ich soll dich von Herrn Breuer grüßen.“
    „Du warst also wirklich da? Und? Wie war es?“
    „Ziemlich deprimierend. Seine Frau sitzt seit ein paar Jahren im Rollstuhl. Autounfall. Ich glaube, das nimmt ihn ziemlich mit. Außerdem fühlt er sich an der Schule total unwohl. Die Schüler sind ihm zu rücksichtslos und wild.“
    „Kann ich mir denken. Er war immer so gutmütig und nett. So was nutzen Jugendliche in dem Alter gnadenlos aus. Wie dumm von ihnen.“
    „Es tut mir auch Leid. Er war wirklich einer der nettesten Lehrer am Schiller-Gymnasium.“ Katrin nahm das Telefon von der Kommode und ging ins Wohnzimmer. Sie setzte sich in den Schaukelstuhl. Sie hörte Robertas Stimme am anderen Ende der Leitung.
    „Habt ihr auch über dieses Mädchen gesprochen? Diese Tamara?“
    „Ja, kurz. Er hat so was Ähnliches gesagt wie bei meinem Besuch in der Schule. Er sprach von Selbsthass oder so etwas. Allerdings hat er nicht näher ausgeführt, wie er darauf kommt. Komisch. Woran merkt man, dass jemand sich selbst hasst?“
    „Was weiß ich. Bitte Katrin, vergrab dich nicht so tief in diese Geschichte.“ Roberta klang besorgt und ein wenig vorwurfsvoll.
    „Ich glaube, dafür ist es zu spät.“ Katrin malte mit den Fingerspitzen abstrakte Figuren auf das Telefongehäuse.
    „Wir wissen beide, warum du das tust. Du willst nicht darüber reden, aber nimm bitte zur Kenntnis, dass ich es auch so weiß. Aber davon, dass du im Leben eines fremden Mädchens herumstocherst, wird sie nicht wieder lebendig. Und Melanie genauso wenig.“
    Katrin antwortete nicht sofort. Schließlich sagte sie:
    „Ich habe das Gefühl, damals versagt zu haben. Ich weiß nicht genau, warum. Ich habe diese unbestimmte Ahnung, so als hätte ich etwas verhindern können, als hätte ich etwas Wichtiges übersehen. Ich glaube, es hat nichts mit Melanie zu tun. Nicht direkt jedenfalls. Aber ich bin mir nicht sicher. Klar mache ich mir Vorwürfe. Ich bilde mir ein, ich hätte ihr etwas anmerken müssen. Ich war schließlich die Einzige, mit der sie manchmal geredet hat. Sie war ja so verschlossen. Alle haben mich nachher gefragt, ob ich denn nichts bemerkt hätte.“
    „Lass die Grübelei. So etwas kann niemand ahnen. So eng wart ihr nicht befreundet. Mach dich nicht verrückt.“
    „Es ist etwas anderes. Es ist die Mutter. Ich habe sie auf der Beerdigung gesehen. Sie sah so merkwürdig aus. Ich hatte das Gefühl, dass etwas passieren wird, aber ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Und dann war sie plötzlich auch tot. Ich habe genau dieses Gefühl, wenn ich Tamaras Mutter sehe. Sie hat diesen gleichen leeren Blick, verstehst du? So, als hätte sie mit irgendwas abgeschlossen.“
    Roberta schwieg einen Augenblick lang. Dann sagte sie:
    „Ich verstehe dich. Trotzdem darfst du das nicht so an dich heran lassen. Du bist nicht dafür verantwortlich. Und vor allem darfst du dich nicht in Gefahr bringen. Schließlich besteht immer noch die Möglichkeit, dass es Mord war. Und wenn du bei deinen Ermittlungen dem Mörder zu nahe kommst, passiert am Ende etwas Schreckliches. Und dann kannst du niemandem mehr helfen, nicht einmal mehr dir selbst.“
    Katrin musterte noch lange, nachdem sie aufgelegt hatte, stumm das Telefon. Das Gerät lag wie ein Holzklotz auf ihren Beinen und fühlte sich unendlich schwer an. Bis zu diesem Augenblick war ihr nicht wirklich bewusst gewesen, dass es der Tod der Mutter und nicht der der Tochter war, für den sie sich verantwortlich fühlte. Plötzlich sah sie alles aus einer neuen Perspektive. Trotzdem hatte sie immer noch die eigenartige Gewissheit, etwas Wichtiges zu übersehen, irgendein Detail, das nichts mit ihren eigenen Gefühlen zu tun hatte, und das den Selbstmord vor zwölf Jahren mit Tamaras Tod verband.
    Der Samstag begann wieder mit Regen. Dunkle Wolken türmten sich am Himmel und hingen bleischwer über der Stadt. Ein frischer, kühler Wind fegte durch die Straßen. Dicke

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