Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
?«
»Das entscheiden wir nachher .«
»Und hört ihr auch bestimmt, wenn ich klopfe ?«
»Hast du etwa Schiss ?«
Martin schüttelte heftig den Kopf. Sie hievten die Gitterregale aus dem Kühlschrank und zogen die große Plastikschublade am Boden heraus. Martin kroch hinein. Es war ziemlich eng. Er musste die Knie bis ans Kinn ziehen und die Arme eng um die Beine schlingen, damit die Tür richtig schloss.
»Und ihr hört auch ganz bestimmt mein Klopfen ?«
»Wir sind doch nicht taub«, schnauzte Andreas ungeduldig. Er gab Hansi ein Zeichen, und der schloss die Tür. Sekundenlang standen sie im Halbkreis um den Kühlschrank und starrten wie gebannt auf die weiße Tür. Niemand sagte ein Wort. Schließlich brach Andreas das Schweigen.
»Nun, wir sollten mit unserer Besprechung weitermachen. Das kann ’ne Weile dauern .«
Sie setzten sich auf den Boden.
»Können wir ihn denn auch hören, wenn wir selbst reden ?« , gab Claudia zu bedenken. Sie warf einen hastigen Blick auf den Kühlschrank.
»Klar«, beschwichtigte sie Erik, »der wird schon richtig feste gegen die Tür bollern, wenn er raus will. Das hören wir auf jeden Fall .«
Sie saßen im Schneidersitz auf dem Boden und warteten. Erik ließ die Tüte mit den Brausebonbons herumgehen. Da waren nur noch welche mit Orangengeschmack drin, und die mochte er nicht. Plötzlich hörten sie erneut Schritte auf der Kellertreppe. Sie fuhren erschrocken zusammen und sahen sich schweigend an.
»Nanu, wieso ist denn hier Licht ?«
Es war Renate Neugebauers Stimme. Sie sprangen auf und horchten gebannt. Hansi wurde es heiß und kalt. Er dachte an die Schläge, die er letzte Woche bezogen hatte. Panisch blickte er hin und her. Die anderen schauten sich ebenfalls suchend um. Aber hier gab es kein Versteck. Erik schlüpfte durch die Tür. »Wenn die mich hier erwischt, bin ich fertig«, murmelte er und verschwand in Richtung des Ausgangs, der zum Garten hinausführte. Jetzt rannte auch Andreas los. Im Kellergang näherten sich Schritte.
»Los, wir kommen nachher zurück«, flüsterte Claudia und huschte durch die Tür. Hansi war wie gelähmt, er hörte die Schritte. Er blickte auf den Kühlschrank, in dem alles still war. Dann ertönte Renate Neugebauers Stimme.
»Ist hier unten einer? Hallo? Seid ihr das etwa, ihr ungezogenen Bürschchen? Na wartet, bis ich mit euren Eltern spreche !«
Jetzt gab es kein Halten mehr. Hansi stürmte durch die Tür und rannte und rannte, in den Garten, über die Mauer, noch ein Garten, noch eine Mauer, wieder ein Keller, ins Haus Nummer sieben, denn hier war fast nie abgeschlossen. Er hechtete durch den Keller in das Treppenhaus und auf die Straße, raste weiter, Richtung Fürstenplatz. Er machte erst an dem großen Brunnen halt. Hastig kletterte er auf die dicke Mauer und lief über den Rand bis zu der mittleren der drei imposanten Steinfiguren, die wachsam über den Brunnenbecken thronten. Die Gestalt war überlebensgroß und muskulös, saß breitbeinig da und hielt einen gigantischen Hammer in der rechten Hand, was Hansi bisher immer ein wenig Furcht eingeflößt hatte. Doch heute empfand er diese Demonstration roher menschlicher Muskelkraft als beruhigend, und er kauerte sich zwischen die Beine der Figur.
Er starrte in das schmutzige Becken, in dem eine Plastiktüte schwamm, Bonbonpapiere und eine Apfelkitsche. Er wusste nicht, wie lange er so dasaß. Die Gedanken kreisten in seinem Kopf wie ein Bienenschwarm. Irgendeiner musste zurücklaufen und Martin da rausholen. Irgendeiner. Nicht er. Bestimmt war längst einer zurückgelaufen. Claudia. Sie hatte doch gesagt: Wir kommen später zurück. Sicher war sie längst dagewesen . Irgendwer war längst dagewesen .
Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, als er zögernd zurückschlenderte. Er musste sich zu jedem Schritt zwingen. Am liebsten wäre er für immer auf der Brunnenmauer geblieben, aber er wusste, was für ein Ärger ihm drohte, wenn er zu spät nach Hause kam.
Er ging nicht durch die Antoniusstraße nach Hause, sondern machte den Umweg durch die Remscheider Straße. Er kam gerade noch pünktlich zum Essen, aber er bekam kaum etwas herunter. Später trat er immer wieder unruhig ans Fenster, aber er konnte nichts in Erfahrung bringen. Er überlegte, ob er unter irgendeinem Vorwand noch mal hinausgehen sollte. Hier auf der Kirchfeldstraße wohnte er so abgelegen, dass er gar nichts mitbekam. Aber dann musste er schon ins Bett.
So kam es, dass er erst am nächsten Morgen
Weitere Kostenlose Bücher