Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
ungeduldig wartend daneben stand, und neben einem roten Toyota stritten sich ein paar Spatzen um ein halbes Leberwurstbrötchen.
»Dieser Mann kann sich doch nicht einfach in Luft auflösen !«
»Wenn der rechtzeitig geahnt hat, dass wir ihm auf der Spur sind, dann hat er vielleicht die Stadt verlassen, bevor wir die Fahndung eingeleitet haben«, gab Rita Schmitt zu bedenken.
Halverstett starrte immer noch aus dem Fenster. Das Mädchen war mit seiner Mutter weitergegangen, und der Kollege vertrieb die Spatzen, als er mit seinem Motorrad eine elegante Schleife über den Parkplatz drehte.
»Oder wir jagen den falschen Mann. Wer sagt uns, dass es nur um die fünf Kinder auf dem Foto geht? Vielleicht zeigt das Bild nicht die gesamte Clique. Was, wenn einer fehlt, und das hat uns in die Irre geführt? Welche Veranlassung haben wir eigentlich zu glauben, dass Hans Meister nicht das nächste Opfer sein könnte? Womöglich finden wir ihn nicht, weil er längst tot ist .«
Halverstett wandte sich vom Fenster ab. »Da stimmt was nicht, Rita. Irgendein Teil passt nicht ins Puzzle .«
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Ein junger Polizeibeamter trat ein. Er reichte Halverstett eine geöffnete Aktenmappe, deren Ränder vollkommen vergilbt waren.
»Hier, ich dachte, das könnte euch interessieren. Der alte Krüger hat sich da an was erinnert. Ich habe mal die Akte rausgesucht .«
Er reichte Halverstett die Mappe. Der überflog die aufgeschlagene Seite und blickte Rita Schmitt an.
»Verdammt«, murmelte er dann. »Ich fürchte, wir jagen tatsächlich den falschen Mann .«
Katrin erwachte allmählich aus ihrer Erstarrung. Hans Meister fixierte sie immer noch mit unergründlichem Blick. Katrin berührte Roberta am Arm.
»Roberta«, flüsterte sie, »das ist –«
»Ja, ich dachte mir, dass ihr euch kennt .« Peter machte einen Schritt ins Wohnzimmer. »Hansi ist ein Kollege von Manfred, stimmt’s ? Roberta, das ist Hans Meister. Wir sind in eine Klasse gegangen. Wir waren die größten Fortunafans der Schule .« Er lachte. »Verdammt lang her, was, Hansi ?«
Peter stupste Hansi mit dem Ellbogen an, aber der reagierte nicht. Er starrte immer noch wortlos auf Katrin, so als hinge es allein von ihr ab, was er als Nächstes tun würde.
Roberta war bleich geworden. Ihr Blick schoss an die Zimmerdecke, nach oben, wo das Lachen der drei friedlich spielenden Kinder unnatürlich laut klang.
»Verlassen Sie mein Haus«, stieß sie schließlich hervor, »auf der Stelle .«
Peter warf einen entgeisterten Blick auf seine Frau. Katrin wurde noch eine Spur blasser, ihre Hand tastete nach dem Türrahmen. Dann fixierte sie Hansis Hände, die begonnen hatten, unruhig zu zucken.
»Roberta, dieser Mann ist ein Freund, und er braucht Hilfe«, sagte Peter.
»Dieser Mann ist ein Mörder, und er verlässt sofort mein Haus .«
Robertas Stimme war fast tonlos, aber sie klang fest und entschlossen. Katrin schoss das Bild einer Löwin durch den Kopf, die ihre Jungen verteidigt, auch wenn es das eigene Leben kostet.
»Er ist kein Mörder .«
Katrin hörte ihre eigene Stimme viel zu laut und fremd durch den Raum hallen. Jetzt starrten alle drei in ihre Richtung. Aber Katrin ließ sich nicht verunsichern.
»Er ist kein Mörder«, wiederholte sie mit fester Stimme. Sie blickte immer noch auf seine Hände. Sie hatte die rechte Hand des Mörders gesehen. Es war Nacht gewesen, und was sie gesehen hatte, war nicht mehr als ein kleiner Ausschnitt des Handgelenks gewesen. Aber sie war ganz sicher, dass der Arm, den sie in Erik Steins Wohnzimmer gesehen hatte, dünner gewesen war, zierlicher, fast wie der einer Frau. Es war sicher nicht Hans Meisters Arm gewesen.
Dann fiel ihr etwas anderes ein: Sie dachte an das grüne Auto, das ihnen auf dem Weg hierher begegnet und das ihr bekannt vorgekommen war. Sie war sich sicher, dass sie es schon einmal gesehen hatte, dass sie es kannte. Aber sie erinnerte sich nicht mehr, woher. Autos interessierten sie nicht sonderlich. Sie nahm sie nur oberflächlich wahr. Für sie sahen sie alle gleich aus, und das Einzige, was ihr daran wichtig war, war die Tatsache, dass man damit fahren konnte. Jetzt ärgerte sie sich über ihr Desinteresse. Denn sie war mit einem Mal fest davon überzeugt, dass dieser Wagen nicht zufällig in der Nähe von Robertas Haus aufgetaucht war. Vermutlich war der wahre Mörder Hansi bereits auf der Spur.
Katrin riss ihren Blick von Hansis Händen los. Ihre Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher