Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
erfuhr, dass man den kleinen Martin Rutkowski tot aufgefunden hatte. Er hatte sich selbst in einen alten Kühlschrank im Keller eingesperrt und nicht mehr befreien können. Und so war er qualvoll erstickt. Die Nachbarn standen mit ernsten Gesichtern auf der Straße, sprachen im Flüsterton miteinander und schüttelten fassungslos den Kopf.
Martin Rutkowski starb am gleichen Tag wie jener andere Martin, Hanns Martin Schleyer, der von Terroristen entführt und schließlich brutal ermordet worden war. Während die Zeitungen voll von jenem anderen, spektakulären Todesfall waren, war der kleine Junge aus Friedrichstadt nur eine Randnotiz wert.
21
Hans Meister starrte durch das Seitenfenster, aber er sah nichts. An ihm vorbei rauschten vereinzelte Häuser, Wiesen und Felder. Dann überquerten sie den Rhein und fuhren Richtung Düsseldorf Innenstadt. Häuserzeilen türmten sich rechts und links von ihm auf, dann erschien auf der Seite eine große Kirche, als der Wagen von der Friedrichstraße in den Fürstenwall bog. Hans sah nicht viel von alledem. Er starrte ins Leere. Noch nie in seinem Leben hatte er so sehr das Gefühl gehabt, versagt zu haben, nicht einmal damals bei Martins Tod. Es war, als wäre ihm das letzte bisschen Kontrolle entglitten oder die letzte Chance, etwas wieder gutzumachen.
Das Auto bog wieder um die Ecke. Links lag jetzt das Polizeipräsidium. Roberta, die am Steuer saß, lenkte an den Straßenrand. Katrin drehte sich zu Hansi um.
»Ich komme mit rein. Ich kenne den Kommissar, der den Fall bearbeitet .«
Hans hob abwehrend die Hand. »Nein, das ist nicht nötig. Das mach ich allein .«
Katrin warf einen fragenden Blick zu Roberta. Diese zuckte die Schultern. Hans versuchte zu erklären. »Ich will –, ich muss das allein machen. Bitte.«
Katrin seufzte. »Also gut. Aber falls es irgendwelche Probleme gibt, dann sollen die bei mir anrufen. Dann komme ich vorbei .«
Hans antwortete nicht. Er stieg aus dem Wagen und überquerte die Straße. Als er auf der anderen Seite angekommen war, drehte er sich noch einmal um. Die beiden Frauen starrten ihm besorgt hinterher. Er winkte ihnen zu und drehte sich wieder weg. Nach ein paar Schritten hörte er, wie der Wagen anfuhr und sich das Motorgeräusch langsam entfernte.
Hansi blieb stehen und musterte das Gebäude. Unsicherheit machte sich in ihm breit; sicherlich würde ihm niemand glauben. Er wurde schließlich als Mörder gesucht. Man würde ihn wahrscheinlich verhaften, ohne seine Erklärungen abzuwarten. Vielleicht sollte er doch besser nicht hineingehen?
Plötzlich ertönte eine Stimme neben ihm. »Kann ich Ihnen vielleicht helfen ?« Der Mann, der ihn angesprochen hatte, war ein wenig älter als er selbst, vielleicht Anfang fünfzig, und lächelte zuvorkommend.
»Ich – ich wollte eigentlich aufs Präsidium, aber – .« Er brach verunsichert ab.
Der Mann nickte. »Ja, das ist gut so. Ich bin froh, dass Sie sich freiwillig stellen, Herr Meister. Sie sind doch Hans Meister, oder ?« Er blickte Hans fragend an.
Hans wurde blass, aber er protestierte nicht. Der Mann sprach weiter. »Ich bin Hauptkommissar Halverstett . Bitte bekommen Sie keinen Schreck. Ich weiß inzwischen, dass Sie nicht der Mörder sind. Wir sind gerade auf dem Weg zu Ihrem alten Freund Kai Rutkowski . Er ist der Täter. Kommen Sie, begleiten Sie mich dorthin. Wir können im Wagen reden .«
Er führte Hans zu einem Auto und hielt ihm die Beifahrertür auf. Hans stieg wie benommen ein. Er konnte kaum fassen, wie einfach alles mit einem Mal war.
Manfred Kabritzky parkte den grünen Landrover am Straßenrand. Dann schlenderte er zu Fuß auf den Hof der Autowerkstatt. Am Tor hing ein Schild, auf das jemand in großer, ungelenker Schreibschrift notiert hatte: Heute wegen Krankheit geschlossen.
Kabritzky tastete nach der Klinke, und das Tor schwang nach hinten. Es war unverschlossen. Er marschierte in den Hof und blickte sich neugierig um. Auf der rechten Seite befand sich eine bizarre Sammlung halb auseinandermontierter PKW. Ein uralter gelber Golf ohne Räder und Motorhaube, zwei vollkommen durchgerostete VW-Käfer und diverse japanische Modelle ohne Türen und mit ausgebauten Sitzen warteten darauf, endlich verschrottet zu werden.
Manfred marschierte Richtung Scheunentor, hinter dem sich die eigentliche Werkstatt befand und rüttelte an der Tür. Doch sie war verschlossen. Er zögerte kurz, dann wandte er sich ab und ging auf das Wohnhaus zu. Nachdem auf sein
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