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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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Unterschied, denn ich hatte für nichts bis gar nichts welche. Das gab mir einen Stich. Musste ich zugeben. Aber noch mehr störte mich die Vorstellung, dass sie in Kürze womöglich wieder mit diesem schrägen Typen in seinem dunkelblauen BMW davon düsen würde. Und dass der ihr über kurz oder lang wahrscheinlich wieder die Hand auf den Hintern legen würde. Obwohl mich das alles natürlich gar nichts anging, ja, ja, ja. Trotzdem!
    »Vielleicht wäre ein Taxi besser? Auf Firmenkosten, versteht sich!«
    Sonia schaute mich an, wie einen kranken Welpen, der ganz, ganz viel Liebe und Nachsicht braucht. Und das mit einem Mona-Lisa-Lächeln, das mir durch Mark und Bein ging! In diesem Moment wusste ich, dass sie Gedanken lesen konnte.
    »Okay! Bis morgen früh dann. Wann treffen wir uns?«
    »Gegen zehn, würde ich sagen.«
    Sie verschwand, um sich ein Taxi zu rufen und ließ mich mit meiner Zigarre allein.
    Ich hörte die Bürotür ins Schloss fallen und ging zum Fenster. Mit der Faust rieb ich mir ein rundes Guckloch in die beschlagene Scheibe. Sonia stand gegenüber auf der anderen Straßenseite, unter einer Laterne, und wartete auf das Taxi. Stand da in einer trüben Pfütze aus gelbem Licht. Vollkommen regungslos unter ihrem Schirm. Sie sah aus, als wäre sie im dunklen Wald zu Hause und hätte sich auf eine Lichtung verirrt.
    Das Taxi kam. Ich hoffte, sie würde mir noch einmal zuwinken. Und wenn? Was würde ich dann tun? Einfach nur lässig zurückwinken oder »Geh’ nicht!« oder »Komm’ zurück!« auf die nebelblinde Scheibe schreiben? In Spiegelschrift, versteht sich!
    Ich sah, wie sie einstieg und davon fuhr. Sie hatte nicht mehr geguckt, ich nicht mehr gewunken. Na ja, warum auch? Manchmal war ich eben doch ein ziemlich sentimentaler Trottel, so wie in diesem Augenblick, zum Beispiel! Lag bestimmt an dem italienischen Rotwein in den Adern eines Biertrinkers. Aber nicht nur.

32
    Mit meiner schwarzen Reisetasche, in die ich Hemd, Hose, Socken und Unterwäsche gepackt hatte, betrat ich pünktlich um fünf nach neun mein Büro. Ich deponierte die Ersatzklamotten im Badezimmer, um beim nächsten Wolkenbruch nicht wieder im Handtuch dazusitzen. Bei dieser Gelegenheit stellte ich befriedigt fest, was für ein lernfähiges Kerlchen ich doch sein konnte und klopfte mir dafür anerkennend auf die Schulter. Dann schmiss ich die Kaffeemaschine an, wickelte meine mitgebrachte Wurstsemmel aus, setzte mich hinter meinen Schreibtisch und frühstückte. Dabei blätterte ich in der Süddeutschen.
    Seit ich denken oder genauer: seit ich lesen kann, blättere ich morgens beim Frühstück in der Zeitung und fast immer in der Süddeutschen, weil sie nicht so bunt und laut, so zopfig und langweilig oder so beliebig und belanglos ist wie das meiste, was die Leute auf nüchternem Magen an Gedrucktem so zu sich nehmen. Und weil sie im Allgemeinen nicht so weh tut. Außerdem, falls es jemanden interessiert: Ich beginne immer mit dem Lokalteil und nicht mit der Seite eins oder drei wie alle anderen, weil ich die Weltkrisen und Katastrophen erst verdauen kann, wenn ich mich vorher davon überzeugt habe, dass im schönen Bayernland im Großen und Ganzen alles noch intakt ist. Dass der Ministerpräsident die Wolfratshauser Gebirgsschützenkompanie inspiziert hatte, zum Beispiel, und dabei trotz seiner ulkigen Lederhose nicht versehentlich erschossen worden war. Schon mal ganz gut! Oder dass der Bürgermeister irgendeines Kaffs zu einer Dienstreise nach China aufgebrochen war, um zu klären, inwieweit »wir in Oberbayern von den Verkehrsproblemen Shanghais lernen und ähnliche Probleme für unsere schöne Gemeinde von vornherein vermeiden können«. Auch nicht schlecht! Oder dass in einem Festzelt ein Betrunkener der Bedienung in den Ausschnitt gegriffen, sie ihm dafür einen, allerdings leeren, Bierkrug auf den Schädel geschlagen hatte, woraufhin dieser wiederum hinterrücks in die Ehrenloge und dort auf die Gattin des bayerischen Umweltministers gefallen war, die Ärmste dabei förmlich unter sich begraben und fast eine halbe Minute lang keinerlei Anstalten gemacht hatte, diesen Zustand zu beenden: Sie habe in ihrem Leben noch nie eine solche Angst ausstehen müssen, wurde die Gattin zitiert. Er habe auf der Gattin des Herrn Umweltministers zwar unfreiwillig, aber doch recht kommod gelegen, wurde der Betrunkene zitiert und er wolle angesichts der Einmaligkeit des Vorfalls und in Anbetracht der sonstigen Unbescholtenheit des

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