Katzenmond
sie so kreativ, warmherzig und hilfsbereit erlebt – es war ein kleiner Schock, sie jetzt so reden zu hören. Aber so ist das mit der Trauer. Sie kann ganz normale Männer und Frauen zu Mördern machen. Ich ging zu den anderen zurück und ließ Marion einen Moment allein, damit sie sich wieder fassen konnte. Mit einer Geste bat ich um Aufmerksamkeit und warf Chase einen Blick zu. Er gab mir mit einem Nicken zu verstehen, dass ich das Wort hatte. Er vertraute uns. Und wir taten unser Bestes, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen.
»Wir haben schon seit Oktober ein bestimmtes Problem. Ob das etwas mit dem Bombenanschlag heute zu tun hat, wissen wir noch nicht. Aber ich denke, wir sollten euch davon erzählen – es könnte ja sein, dass euch irgendeine Verbindung auffällt … irgendetwas, das uns hilft, die Attentäter zu finden. Wie Chief Johnson schon sagte, es tut uns leid, dass wir euch das heute Nacht abverlangen müssen. Uns ist klar, wie schwer das ist. Aber je schneller wir Hinweise bekommen, desto eher können wir mit der Suche nach den Tätern beginnen.«
Das Wort
Täter
fühlte sich auf meiner Zunge komisch an. Für mich waren das Mörder, doch dieses Wort war emotionaler und könnte die Angehörigen der Opfer noch stärker ablenken. Sie waren ohnehin schon außer sich.
Marion trat leise wieder ein und glitt auf ihren Stuhl. Ich warf ihr einen Blick zu, den sie mit einem resignierten Nicken beantwortete. Ich lächelte ihr zu und fuhr fort.
»Vielleicht haben einige von euch letzten Oktober von den Morden an Werwölfen gehört. Wir haben damals nach mehreren Werwölfen gesucht und leider festgestellt, dass sie getötet wurden …«
»Daran erinnere ich mich«, sagte der Werhund. »Ich bin Shane Creia. Thomas war mein kleiner Bruder. Erst vor zwei Jahren mit der Highschool fertig. Er hat eine Frau und zwei kleine Söhne – Zwillinge.« Er kniff sich in die Nasenwurzel, und Tränen schimmerten in seinen Augen. »Was für Leute tun so etwas?«
Der andere Mann – der Werwolf – räusperte sich. Es war ihm deutlich anzusehen, dass seine Nerven blank lagen. Werwesen waren leicht zu durchschauen. Dank unserer besonders ausdrucksstarken Körpersprache waren wir wie offene Bücher. »Geraldo Tienes, Salvatores Onkel. Die Mordserie hat sich bis nach Arizona herumgesprochen, obwohl kaum etwas darüber bekannt gegeben wurde. Glaubst du, es gibt eine Verbindung zu dem Anschlag heute Abend?« Er richtete sich auf, und seine Nase zuckte.
Ich nickte. »Das stimmt, wir haben nicht viel Information über den Fall herausgegeben, und das aus gutem Grund. Wir bewegen uns hier auf dünnem Eis. Es gibt Dinge, über die wir zur Zeit einfach nicht sprechen können. Was die Mordserie damals angeht, so haben wir einige der Täter erwischt … aber ein paar konnten fliehen. Wir halten es für möglich, dass sie nach Seattle zurückgekehrt sind – vielleicht nicht ihres ursprünglichen Ziels wegen, sondern um sich an der ÜW -Gemeinde zu rächen. Oder an Marion oder mir oder … wer weiß. Die Mörder haben damals Wolfsdorn …«
»Wolfsdorn! Gibt es hier etwa welchen?« Geraldos Augen glitzerten ängstlich.
»Ja. Wir haben wahrscheinlich einen Großteil davon vernichtet, aber wir können nicht sicher sein, also seid vorsichtig. Fest steht allerdings, dass das Zeug von zwei Hexern und einer Gruppe Koyanni hergestellt wurde.«
Ich bemühte mich, die ganze Sache mit den Geistsiegeln und der Dämoneninvasion zu umgehen, also beließ ich es bei »Hexern« und sagte nichts von Treggarts. Dann stöpselte ich die restlichen Tatsachen so zusammen, dass sie trotzdem einen Sinn ergaben.
»Koyanni?« Shane blickte auf. »Wer ist das?«
Ich wollte gerade Marion bitten, das zu erklären, als Geraldo ausstieß: »Kojotenabschaum.« Er presste die Lippen zusammen, und sein Nasenrücken färbte sich unnatürlich weiß.
»Verdammt.« Claudia rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Exo hat erwähnt, dass er vermutet, die Koyanni seien in der Gegend. Er hatte mal Schwierigkeiten mit ihnen, bei einem Spezialeinsatz für seine Einheit damals in Südamerika. Er hat sie mir als besonders bösartigen Schlag Werkojoten beschrieben …« Sie wandte den Kopf und musterte Marion. »Weiß
sie
irgendetwas darüber?« Die Werwölfin stand auf, schleuderte dabei ihren Stuhl zurück und zeigte drohend mit dem Finger auf Marion.
Marion erhob sich langsam und begegnete Claudias wütendem Blick. »Wirf mich nicht mit den Verlorenen in einen Topf.
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