Katzenmond
Sie hängen ihrer eigenen Vision an, und kein Kojotenwandler, der dem wahren Pfad des Großen Tricksters folgt, will etwas mit ihnen zu tun haben. Die Koyanni sind gefährlich und ein ganz eigener Stamm. Sie haben sich schon vor langer Zeit von unseren Traditionen abgewandt und gelten als Ausgestoßene.«
Ich ging dazwischen, ehe die Fäuste – oder Fellfetzen – fliegen konnten. »Hört auf und setzt euch, ihr beiden. Marion hat überhaupt nichts mit den Koyanni zu tun. Aber wie ich sehe, wisst ihr über sie Bescheid, also sparen wir uns eine Diskussion über die Geschichte der Koyanni. Marion ist ebenso sehr ein Opfer wie ihr alle. Ihre Schwester ist bei der Explosion umgekommen.«
Claudia nuschelte eine Entschuldigung und kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Marion zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder.
Ich gab mir Mühe, die Pheromone und die geladene, explosive Atmosphäre im Raum zu ignorieren, und fasste die Ereignisse von letztem Herbst für die anderen zusammen – eine gekürzte und stark zensierte Version.
»Was alle wissen sollten: Mehrere Koyanni haben sich mit zwei Hexern zusammengetan, um Wolfsdorn herzustellen. Sie haben Werwölfe aus der Umgebung von Seattle entführt, Beta-Männchen, und sie mit Steroiden vollgepumpt, um sie dann zu töten und ihre Hypophysen und Nebennieren zu entnehmen. Es ist uns gelungen, die Folterkammer auszuheben und einige der Drahtzieher festzunehmen, aber die Hexer – Van und Jaycee – sind entkommen. Und auch einige Koyanni.«
»Und du meinst, die könnten das Gemeindehaus in die Luft gesprengt haben?« Claudia biss sich auf die Unterlippe.
»Der Anschlag wurde von einem Hexer verübt, mit Sprengstoff aus der Anderwelt, soweit wir bisher feststellen konnten.« Chase räusperte sich. »Wir werden die Herkunft also kaum genau zurückverfolgen können. Worum ich Sie bitten möchte – und ich weiß, das ist im Augenblick viel verlangt: Rufen Sie sich die letzten Tage ganz genau in Erinnerung. Wir brauchen jeden Hinweis … alles, was irgendwie nützlich sein könnte. Fremde, die Ihre Angehörigen erwähnt haben, alles, was Ihnen vielleicht ungewöhnlich erschien – die geringste Kleinigkeit könnte uns einen wichtigen Hinweis liefern.«
Claudia runzelte die Stirn. »Ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen …«
Ich spürte förmlich die Erschöpfung, die sie ausstrahlte. Sie und die anderen standen kurz davor, zusammenzubrechen. Und das war bei Werwesen nie sonderlich hübsch. Ich bedeutete Chase, mir kurz nach draußen zu folgen. Nerissa verteilte Kaffee und Kekse und sprach leise und tröstlich mit den Trauernden, während wir beide zur Tür hinausschlüpften.
Ich lehnte mich an die Wand.
»Chase, wir können sie nicht noch mehr bedrängen. Bitte glaub mir, wenn du nicht sehen willst, wie zwei Wölfe, ein Kojote und ein Hund hier drin ausrasten – und sich wahrscheinlich an die Kehle gehen, so emotional geladen, wie sie sind –, rate ich dir: Lass sie heute Nacht in Ruhe darüber nachdenken. Jetzt werden wir nichts mehr erfahren.«
Er verschränkte die Arme. »Ich würde dir sehr gern widersprechen, aber ich weiß, dass du recht hast. Also gut, wir lassen sie drüber schlafen, obwohl ich wirklich schnell eine Spur brauche. Aber die Brandursachenermittler sind wahrscheinlich auch erst morgen fertig, und wir wissen ja schon von der magischen Komponente. Also werden wir kaum etwas von den typischen Spuren finden. Und selbst wenn, würden uns diese Beweise wohl nicht viel nützen.«
Ich nickte. »Lass sie heute Nacht in Ruhe. Morgen können sie sich wieder besser konzentrieren. Im Moment stehen sie völlig unter Schock.«
»Ich weiß, ich weiß.« Er schüttelte den Kopf und scharrte mit einem Fuß auf dem Boden. »Ich mag nur nicht an die Folgen denken, falls wir mit den Ermittlungen länger brauchen sollten. Die gesamte übernatürliche Gemeinschaft wird uns unter Druck setzen, endlich die Täter zu finden. Und was, wenn wir uns irren und sich herausstellt, dass irgendeine beschissene Anti- ÜW -Gruppierung hinter dem Anschlag steckt? Dann stehen wir vor einem ganz neuen und sehr hässlichen Problem.«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Es gab zunehmend Spannungen zwischen einer ziemlich lauten Minderheit der menschlichen Gesellschaft und den Übernatürlichen. »Glaubst du wirklich, dass eine solche Gruppierung so weit gehen würde?«
Chase lächelte mich traurig an. »Sogar noch viel weiter. Sieh dir unsere Geschichte an – die
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