Katzenmond
angekommen waren, eilte auch schon Nerissa herein. Sie sah ein wenig mitgenommen aus, aber ordentlich gekleidet mit einer Jeans und einer hübschen Bluse – nüchtern und bereit, sich an die Arbeit zu machen.
Sobald Chase die Tür geschlossen hatte, wandte er sich an mich. »Ich hasse diesen Teil meines Jobs. Ich weiß, dass es dir genauso geht. Aber wir müssen uns gut überlegen, was wir sagen. Wir wissen, dass das kein Unfall war. Sondern Mord und Brandstiftung.«
»Was sagen wir ihnen dann?« In dieser Sache richtete ich mich lieber nach Chase – er war derjenige, der sich mit den Folgen auseinandersetzen musste, vor allem, falls es eine Weile dauern sollte, die Täter aufzuspüren.
Er starrte auf ein Blatt Papier auf seinem Schreibtisch und tippte mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. Dann blickte er auf. »Gehen wir. Haltet euch einfach an das, was ich tue.« Mit einem entschlossenen Nicken bedeutete er uns, ihm zu folgen.
Wir gingen hinaus in den Wartebereich, in dem eine Gruppe besorgter Werwesen saß. Ich entdeckte Marion Vespa, die Besitzerin des Superurban Cafés, und wandte hastig den Blick ab, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. Mir graute vor dem Moment, wenn wir ihr sagen würden, dass ihre Schwester tot war.
Exo Reeds Frau Claudia war da. Die Kinder hatte sie zu Hause gelassen. Und einige andere … wahrscheinlich Angehörige der Toten und Verletzten. Beim Blick in die bangen Gesichter hätte ich weinen können. So viel sinnlose Zerstörung und Tod gab es in meiner Welt. Den Toten ging es meistens ganz gut – sie waren dann anderswo beschäftigt. Doch hier saßen die wahren schrecklichen Folgen einer solchen Tragödie.
Als wir näher kamen, blickte Claudia ängstlich zu uns auf, sah uns forschend in die Gesichter. Sie musste unsere Ausstrahlung gelesen haben, vielleicht auch nur Körpersprache – jedenfalls fiel sie in sich zusammen und begann zu weinen. Marion warf einen Blick auf sie, senkte den Kopf, und lautlose Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Chase sprach sie an. »Würden die Angehörigen von Trixie Jones, Thomas Creia, Exo Reed und Salvatore Tienes bitte mit uns kommen?« Er wandte sich Sharah zu. »Kümmerst du dich um die anderen?«
Sharah nickte und führte ruhig die drei übrigen Wartenden beiseite. Das mussten Angehörige der Schwerverletzten sein. Ich warf ihr im Vorbeigehen einen Blick zu, als wir mit den anderen zu einem der Konferenzräume gingen. Nerissa hielt Claudia aufrecht, die aussah, als könnte sie jeden Moment zusammenbrechen.
Ich schloss die Tür hinter uns, und Chase bat die Leute, sich zu setzen. »Ich fürchte, ich habe schlimme Neuigkeiten.« Er seufzte tief und zögerte.
»Sie sind tot, nicht wahr? Mein Exo ist tot.« Claudia konnte nur mühsam sprechen und war kaum zu verstehen.
Chase nickte. »Ich bedauere sehr, Ihnen das sagen zu müssen … und auf diese Weise. Heute Abend hat sich im ÜW -Gemeindezentrum eine Explosion ereignet, von der sieben Personen unmittelbar betroffen waren – soweit wir bisher wissen. Zwei kämpfen auf der Intensivstation um ihr Leben. Die anderen … Es tut mir leid. Sie haben es nicht geschafft.«
Ich beobachtete, wie er auf dem schmalen Grat zwischen Mitleid und Kaltschnäuzigkeit balancierte. Er durfte sich nicht vom Schmerz dieser Leute mitreißen lassen, aber ebenso wenig gefühllos wirken.
Marion rang nach Luft, hob den Kopf und stieß dann einen langen Schrei aus – beinahe ein Heulen. Die anderen fielen ein, eine nach der anderen. Kojoten, Wölfe … sie alle steckten in dieser Situation, und unter den oberflächlichen Unterschieden waren sie alle Gestaltwandler.
Chase wartete respektvoll, bis sie fertig waren, dann reichte er dezent ein Foto von dem Elf herum. »Ich bedauere, dass ich Sie jetzt damit belästigen muss, aber weiß jemand von Ihnen, wer dieser Mann gewesen sein könnte? Er kam bei der Explosion ebenfalls ums Leben, aber wir konnten ihn noch nicht identifizieren.«
Nacheinander betrachteten sie das Foto und schüttelten unter Tränen die Köpfe. Marion bekam es als Letzte und starrte lang und angestrengt darauf hinab.
»Ich glaube, er war neulich im Café, aber ich bin nicht ganz sicher. An dem Tag war nicht viel los, und ich meine mich zu erinnern … Ja, Trixie war auch da, und sie hat mit ihm gesprochen. Aber ich weiß nicht, wie er heißt.« Sie gab Chase das Bild zurück. »Wer hat das getan?«
»Das wissen wir noch nicht.« Chase ließ langsam den Atem ausströmen.
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