Katzenmond
Tischreservierungfür halb eins vorlag. Mittwochs um zwölf kommt Laura, um die Vierlinge zu übernehmen, das muss diejenige gewusst haben. Seit einer Weile passt Laura zweimal die Woche auf die Kleinen auf, damit Lilly arbeiten kann, das hat Nico dir bestimmt erzählt.«
Liebermann lehnte sich an die Wand, die Hände gegen die Schläfen gedrückt. Ralph sah ihn besorgt an. »Ich will mich mit meinem Bier wirklich nicht aufdrängen. Wie wär’s mit Tee? Wir haben frische Melisse da.«
»Letzten Dienstag, ein Geburtstagsgeschenk in Form eines Gutscheins für ein Essen in der Möwe am folgenden Tag«, wiederholte Liebermann, während er seinen Freund genauer ins Auge fasste. Ein großer dunkelhaariger Mann. Und Lilly: mittelgroß, blond und, auf eine etwas morbide Art, schön. Er fragte sich, ob ihm je der Fehler unterlaufen wäre, sie mit Constanze van Hoefen zu verwechseln, und kam auf nein. Als Wirt, der sie und Kaiser hin und wieder bedient hatte, vielleicht. Eine Aushilfe hingegen würde einfach den Besuch einer hübschen blonden Frau und eines dunkelhaarigen Mannes bestätigen.
»Ich warte auf die zweite Frage«, sagte Ralph.
Liebermann malte mit den Fingerspitzen eine verblichene Ranke auf der Küchentapete nach. »Die hast du schon beantwortet. Sie hätte demjenigen gegolten, der euch am Mittwoch in die Möwe bestellt hat.«
»Ach so. Na ja, wie gesagt, eine von Lillys Kundinnen wahrscheinlich. Laura jedenfalls nicht, die hat Lilly eine Gießkanne geschenkt.« Er ging in die Küche, um sich mit einem Getränk zu versorgen. Liebermann folgte ihm. Mit einem Gabelstiel öffnete Ralph ein Bier. »Erklärst du mir jetzt, was dich an der Sache so beschäftigt?«
»Ich bin dabei, eine Reuse aus der Havel zu ziehen«, sagte Liebermann. »Noch eins, dann lass ich dich in Ruhe: Seit der Sanierung ist eure Haustür immer geschlossen. Wie kommt manhinein, wenn man einen Brief in euren Briefkasten werfen möchte?«
»Du hast es doch gerade erlebt. Man klingelt und lässt sich öffnen.«
»Hat es Dienstag bei euch geklingelt?«
Ralph zuckte die Achseln. »Da müsste ich Lilly fragen. Allerdings kann man sich, wie du dir denken kannst, auch von den Nachbarn die Tür öffnen lassen. Ich meine, falls man eine Überraschung plant. He, wo willst du hin?«, fragte er, als Liebermann der Küchentür zustrebte.
»Fischen«, sagte Liebermann und eilte hinaus.
Vor dem Lebensmittelladen drosselte Serrano das Tempo. Warum nicht? In Gesellschaft wartete es sich leichter. Ohnehin schuldete er Maja noch einen ausführlichen Tagesbericht. Der Laden lag still unter den Lichtpfeilern, die die Straße zusammen mit einer Reihe Traubenkirschen säumten. Auch die Fenster zum Warenlager im Keller gähnten dunkel. Als er seinen Kopf durch die Spalte schob, die ihr als Ein- und Ausstieg diente, spürte Serrano eine Bewegung in seinem Rücken. Er zog den Kopf wieder zurück, gerade noch rechtzeitig, um Cäsar am Laden vorbeischnüren zu sehen. Ohne lange zu überlegen, schlüpfte Serrano durch den Zaun auf den Weg und gesellte sich zu ihm.
Cäsar blieb stehen. »Schwül heute«, sagte er einleitend. Und nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Offenbar hattest du recht mit dem Schwätzer. Ich habe seinen Bau gefunden.«
Serrano kniff überrascht die Augen zusammen »Wo?«
»Im Stamm einer hohlen Buche. Es lagen schwarze Haare darin. Und im Park verteilt tote Vögel. Unfassbar, dass einer an der Schwelle des Todes noch einmal zum Rachefeldzug antreten soll, aber bald werden wir es wissen. Ich habe einen Trupp an der Buche postiert, der mir Bescheid gibt, falls er auftaucht.«
»Und was dann?«
»Dann werde ich meines Amtes walten. So wie Balthas es damals getan hat.«
Serrano betrachtete seinen Sohn aufmerksam. Er sah Jugend und Furcht, gepaart mit umso wilderer Entschlossenheit. Eine Mischung, die ihn mit Sorge erfüllte.
»Du solltest jemanden mit Erfahrung an deiner Seite haben, wenn es so weit ist«, sagte er. »Wie die Ereignisse zeigen, hat das Alter dem Schwätzer nichts von seiner Grausamkeit genommen. Er wird sich an keine einzige Regel halten, so viel steht fest. Lass mich deine Flanken decken.«
Cäsars Augen verengten sich, dann flackerte sein Blick an ihm vorbei. »Wie geht’s eigentlich mit Krümel und den Tüten voran?«
»Mühsam.« Idiot, dachte Serrano. Trotziger, eitler Idiot!
»Aha.« Cäsar grinste zerstreut. »Na ja, wundert mich nicht. Krümel war tranig wie eine Sardine. Je länger ich darüber nachdenke,
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