Katzenmond
Constanze van Hoefen vergiftet auf einem Hausboot gefunden worden war. Und wie zufällig ihre Begegnung vor der Schule war, nachdem er und Müller sie mit denkwürdigen Informationen über den toten Internisten verlassen hatten. Den man mit etwas viel Altmodischerem als Rattengift umgebracht hatte. Dessen Brille und Handy im Garten der Aphrodite gelegen hatten, woran ihn der dritte Zettel erinnern sollte. Beides war ihm wiederum von einer Katze gemeldet worden. Besitztümer eines Toten, dessen Betriebspost wie der Kadaver vom Kompost in einer blauen Tüte gesteckt hatte, einer Tüte, die Laura für Timmi entworfen hatte und die seitdem vermutlich überall im Viertel herumschwirrte. Liebermann begann zu schwitzen. Seine Synapsen meldeten Überreizung, die Drüsen reagierten darauf. Er trank einen Schluck Wasser, um sie zu beruhigen.
Während Miri geräuschvoll ins Wohnzimmer hinüberschlurfte, schob Liebermann eine Gurkenscheibe auf die leere Seite seines Tellers. Dann separierte er zwei weitere. Er betrachtete die drei Scheiben, bis das Telefon klingelte.
Nico sprach mit der rauen Stimme eines Menschen, der etwas gegen seinen Willen tat. Zyra weigerte sich zu essen, solange ihr Miri nicht Gesellschaft leiste.
»Du lässt dich von deiner Tochter tyrannisieren«, entgegnete Liebermann froh.
»Besser, als sich von einem Toten tyrannisieren zu lassen.«
»Zwei. Letzte Nacht ist Knut Kaiser im Hades auf seine Geliebte gestoßen.« Es trat eine kurze Pause ein.
»Möchtet ihr vielleicht rüberkommen?«, fragte Nico.
Zwei Minuten später nahm Liebermann sie vorsichtig wie ein Teenager in die Arme. Nico sorgte dafür, dass die Begrüßung knapp ausfiel. »Ich muss das Blech aus dem Ofen holen.«
Während die Mädchen glücklich über Backfisch mit Gurkensalat herfielen und Dienstag sich neben dem Tisch in seinen Schwanz verbiss, nagelte Liebermann Nico mit seinem Blick fest, bis sie ihm endlich seufzend erwiderte: »Eine schwierige Phase.«
»Sie geht vorbei«, tröstete er sie. »Genau wie der September. Hältst du es übrigens für möglich, dass Serrano zuckerkrank ist?«
Nico zuckte die Achseln. »Das hat Zyra mich schon gefragt. Vielleicht sollten wir ihn vorsichtshalber zum Tierarzt bringen. Aber Diabetes, ich weiß nicht. Müsste er dann nicht irgendwie nach Gegorenem riechen?«
Sie schnalzte nach Dienstag, der seinen Schwanz sofort im Stich ließ und mit der Behändigkeit eines Eichhörnchens an ihrem Hosenbein emporkletterte. Nico hielt ihm ein Stück Fisch entgegen. Der Kater schnappte danach, ließ sich zu Boden fallen und verschwand unter dem Tisch.
»Er kann jetzt schon richtig fressen!«, sagte Zyra stolz.
»Das sehe ich«, entgegnete Liebermann. »Ich sehe auch, dass seine Okkupation eures Haushaltes fortschreitet.«
Den ganzen Abend über begegneten sie sich mit leichter Befangenheit, die auch noch anhielt, als sie – früher als sonst – ins Bett gingen. Nachdem Nico Dienstag aus den Decken gejagt und Liebermann angeekelt zwei Gräten von seinem Kopfkissen gefischt und vorübergehend auf dem Nachttisch platziert hatte,tauschten sie mit leiser Stimme Banalitäten aus, sorgsam darum bemüht, die schmale Spalte zwischen ihren Matratzen nicht zu überschreiten. Es ermüdete sie beide. Liebermann ahnte, dass Nico eine Entschuldigung erwartete, und er war bereit, ihr den Gefallen zu tun, auch wenn er nicht wusste, wofür. Gleichzeitig fürchtete er, dass eine Entschuldigung nur dem Durchschreiten einer Pforte gleichkam, die in die verworrenen Gefilde ihrer Beziehung führte. Dazu fühlte er sich zu ausgelaugt. Nach einer zermürbenden halben Stunde entschloss er sich deshalb für einen Nebenweg. Die Augen zur Decke gerichtet, erzählte er Nico von seinen Irrfahrten, die am Vorabend begonnen und auf dem Airbag seines Peugeots ein vorläufiges Ende gefunden hatten. An irgendeiner Stelle seines Berichts brach Nicos Mauer, aber in seiner Erleichterung darüber entging Liebermann, wo. Als er fertig war, bemerkte er nur, dass sie auf seiner Betthälfte lag.
»Demnach läuft irgendwo in der Gegend ein Mörder herum?«
Während er zustimmte, lauschte Liebermann ihrer Stimme nach und stellte erleichtert fest, dass sie sachlich geklungen hatte.
»Was ist mit der Magenkrebspatientin?«
»Zu schwach. Sie geht am Stock und trinkt Brennnesseltee. So jemand wirft keine Toten über eine Reling. Außerdem fehlt die Verbindung zu Constanze.«
Nico schob sich ein zweites Kissen unter den Kopf. »Stimmt.
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