Katzenmond
überallhin kommt. Sondern wegen eines Jobs, der eine gewisse Nähe zur Aphrodite erfordert sowie hochgradige zeitliche Flexibilität. Er kann tags wie nachts gerufen werden oder auch gar nicht, dann arbeitet er auf eigene Faust.« Er verschränkte die Arme. Liebermann und Moritz blickten sich ratlos an.
»Taxifahrer wird’s wohl nicht sein?«, fragte Moritz schließlich.
»Nein«, sagte Liebermann. »Das hat nichts mit der Aphrodite zu tun.« Und dann machte es plötzlich klick. Es war ein unangenehmes, kaltes Klicken, etwa so, wie wenn er während einer Schießübung den Hahn seiner Pistole spannte.
»Eines oder einige der Aphrodite-Mädchen nehmen es mit den Regeln nicht so genau.«
»Warm.«
»Es gab Gerüchte, Petzereien von Mitschülerinnen oder dergleichen, und nun hat die Leitung der Aphrodite David auf ihre Fährte gesetzt, um den Beweis zu erbringen. Warum David? Weil er als Proband dort ohnehin ein und aus geht, weil er also die Möglichkeit hat, sich beiläufig umzuhören oder sogar das Vertrauen der Mädchen zu gewinnen, in der Hoffnung, auf diesem Weg die Regelbrecherinnen ausfindig zu machen.«
»Nicht schlecht. Du stehst schon vor dem richtigen Baum, aber du guckst ihn von hinten an.«
Moritz’ Gesicht gerann zu einem Fragezeichen. »Von hinten? Wie wär’s, wenn du …«
»Nein«, unterbrach ihn Liebermann. »Ich bin ein Idiot. Natürlich ist es umgekehrt.«
»Nämlich?«, fragte Ralph.
»Sagen wir, es handelt sich nur um ein Mädchen, ein friedlich grasendes schwarzes Schaf. Und es ist nicht die Leiterin der Schule, die nach einem Beweis für ihren Regelverstoß sucht, sondern jemand, der ein persönliches Interesse daran hat. Und zwar ein so starkes, dass er David als Detektiv anwirbt, der als Angestellter der Schule für eine Beschattung ideal ist. Dieser Jemand könnte eine boshafte Konkurrentin des Mädchens sein, noch eher aber ihr Freund, der, während er daheim sehnsüchtig auf das Ende des Seminars wartet, argwöhnt, dass seine Liebste ihre eben gelernten Künste an einem anderen ausprobiert.«
Ralph runzelte die Stirn. »Nähern wir uns jetzt der Sache, oder erfindest du dieses Zeug, um uns zu strapazieren?«
»Ich lote nur die Möglichkeiten aus.«
»Die wahrscheinlichste hast du aber übersehen.«
»Durchaus nicht, ich hab sie mir nur fürs Finale aufgehoben: eine eifersüchtige Ehefrau.«
Ralphs Stirn glättete sich. »Ein Hoch auf den Bullen«, sagte er und griff nach seinem Glas.
Er hatte es kaum am Mund, da schwenkte Laura herum. »Schäm dich!«, zischte sie. »Statt Gott auf Knien zu danken, dass deine Frau noch lebt, fällt dir nichts Besseres ein, als das Privatleben anderer Leute auszubreiten.«
»Wenn David euch beiden davon erzählt hat, ist es nicht mehr privat«, stellte Moritz fest, ehe er sich an Ralph wandte. »Was ist mit Lilly?«
Laura funkelte ihn an. »Sie ist heute Mittag beinahe an einer Gräte erstickt. Ausgerechnet beim Geburtstagsessen.«
»Dabei hat sie sich vom Kellner noch zeigen lassen, wie man sie rausnimmt«, murmelte Ralph. »Sie muss irgendwas falsch gemacht haben. Aber sie hat die Sache längst überwunden«,fügte er säuerlich hinzu. »Sie hat mich hergeschickt, damit ich mich beruhige. Außerdem breite ich nichts aus. Ich könnte auch gar nichts weiter ausbreiten, denn mehr weiß ich nicht.«
»Welch Glück für David!«, knurrte Laura.
Liebermann trank sein Bier und versuchte nachzudenken. Sein Vorhaben scheiterte allerdings daran, dass er nicht so recht wusste, worüber. Darüber, dass seine erste Tote um ein Haar das Opfer eines Fischs gewesen wäre und nebenbei die Frau seines besten Freundes? Über Davids universelle Einsatzbereitschaft, die der von Nils, ihrem derzeit abwesenden Hausmeister ebenbürtig war? Aber das führte ihn wieder nur zur Natur und ihrer schlampigen Gabenverteilung. David machte seine Sache gut, Lilly hatte überlebt, und seine Freundin lag mit einem Kater im Bett.
Er ging vor den anderen nach Hause. Der Tag war verkorkst, besser, man ließ ihn hinter sich.
Auf der Schwelle von Nicos Haus bückte er sich und hob einen leeren Teller auf. »Glaub’s oder nicht«, sagte er in den dunklen Flieder hinein. »Manchmal sehne ich mich auch nach einem Leben in Kniehöhe.« Keine Antwort. Liebermann hatte sie auch nicht erwartet, nach solch einem Tag. Aber insgeheim fragte er sich, ob Serranos besser gewesen war. Irgendetwas jedenfalls schien den Getigerten umzutreiben. Und da oben wartete sein fiepender
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