Katzenmond
stimmte widerwillig zu. Von heulendem Eisen hatte er auch noch nie gehört.
»Unheimlich, oder? Wie ein Geist, der aus seiner Gruft herausmöchte.«
»Das Schiff steht leer«, wiederholte Frank, um irgendwas zu sagen. Er fühlte sich unbehaglich. Das Heulen schwoll an, brach ab und ging in abgerissene, keckernde Laute über. Sie erinnerten ihn ein wenig an den Nymphensittich, den er als Kind gehabt hatte. Bei ihm waren es Laute der Verärgerung gewesen. Aber geheult hatte der nie. Mit etwas Phantasie konnte man wirklich an Geister glauben.
»Ob es ein Mensch ist?«, fragte das Mädchen besorgt.
»Kaum. Das Schiff steht …« Frank sparte sich den Rest. »Vielleicht ein Hund.«
»Oder ein Wolf«, sagte sie, als das Heulen erneut anschwoll.
Frank dachte an Moritz. Hatte der nicht was von einem Kumpel und Wölfen erzählt? Aber da hatte er schon einen in der Krone gehabt. »Es ist ein Hund«, sagte er entschieden. »Die jaulen so, wenn man sie länger allein lässt.«
»Wirklich? Wie traurig. Vielleicht hat er sich auf das Boot verlaufen, und jemand hat ihn aus Versehen eingesperrt.«
»Nee, ich tippe eher, dass man ihn hergebracht hat, um es zu bewachen. Möglich, dass in den letzten Tagen jemand dran rumgeschraubt oder versucht hat, sich darin einzunisten. Für einen Obdachlosen ist so ein Kahn der ideale Unterschlupf.« Das Heulen verstummte.
»Na also«, sagte Frank erleichtert. »Jetzt wird er sich friedlich zusammenrollen und weiterschlafen.«
Das Mädchen schien noch nicht ganz überzeugt. »Was, wennes doch kein Hund ist? Mir war vorhin, als hätte ich Silben gehört.«
»Klangen sie wie wuff ?«, fragte Frank. »Wenn du willst, finde ich raus, wem der Hund gehört. Irgendeiner meiner Stammkunden weiß es bestimmt. Aber unter einer Bedingung.«
Nachgiebig ließ das Mädchen sich von ihm auf den Weg führen. »Unter welcher?«
»Das nächste Mal kommst du allein zur Bar.«
Sie sah verblüfft zu ihm auf. »Warum?«
»Weil ich nicht will, dass du dir jedes Mal, wenn einer dich sitzenlässt, noch ein Kilo anfutterst. Ich weiß nicht, ob du schon mal dran gedacht hast, aber es gibt auch andere Beschäftigungen als Männer. Fahrrad fahren oder joggen oder Beachball, um nur drei …«
»Du meinst, ich bin zu fett?«
Frank zögerte. Dann sagte er: »Kommt drauf an. Für einen Wal nicht. Aber deine Online-Männer scheinen nicht allzu viel für Fische übrig zu haben.«
Wie zur Bestätigung erhob der Wolf auf der »Marianne« die Stimme. Es klang beinahe wie ein Lachen. Das Mädchen lauschte ihm andächtig. Dann sagte sie: »Wale sind keine Fische.«
»Du auch nicht.«
Sie begann mit den Schuhspitzen im Splitt der Promenade zu wühlen. Nachdem sie ein handtellergroßes Stück freigescharrt hatte, drehte sie sich wortlos um und ging.
Frank sah ihr nach. Er fand, dass sie sich wenigstens hätte verabschieden können. Was wieder bestätigte, dass Frauen merkwürdig waren. Kompliziert. Sein Kumpel Jürgen, der so stolz mit seiner Estrella im Arm herumspazierte, würde das auch noch merken.
Er grinste und trat seine Zigarette aus. Dann warf er »Marianne« eine Kusshand zu und lauschte auf den Hund. Nichts. Überhaupt fand Frank es plötzlich ziemlich ruhig. Offenbar hatteRolli der Beschwerde seines Nachbarn nachgegeben und das Konzert abgebrochen. In einiger Entfernung sah Frank den jungen Mann aus dem blassen Lichtkegel einer Laterne tauchen und in seinem eigenen Kahn verschwinden. Ihm folgte eine Katze.
Völlig allein stand Frank auf dem dunklen Weg. Und wusste der Teufel, auf einmal kam ihm das Gruseln.
4
Serrano schreckte auf, als sich etwas in seine Schläfen bohrte.
»Himmel!«, sagte Cäsar trocken. »Dass du die Amtsgeschäfte abgegeben hast, ist eine Sache. Aber musst du deshalb gleich jede Vorsicht fahrenlassen?«
»Dies ist mein Keller«, gab Serrano zurück und massierte sich die Stelle, wo Cäsars Krallen ihn getroffen hatten. »Außerdem kann ich auch im Schlaf eine echte von einer falschen Gefahr unterscheiden.«
Cäsar verzog das Maul. »Wie du meinst. Maja schickt mich, dich zu holen.«
Serrano setzte sich. Das war etwas anderes. Ein Princeps ließ sich nicht ohne gewichtigen Grund herumschicken. Normalerweise war er derjenige, der Boten sandte.
Schweigend folgte er Cäsar zum Lebensmittelladen. Zu seiner Überraschung hielt Cäsar dort jedoch nicht, sondern lief weiter. Am Ende der Meistersingerstraße bog er ab, rannte an einigen Häusern vorbei und schlüpfte plötzlich in
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