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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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Der Gang? Der würzige Geruch? Als der Mann die Straße überquerte, haftete sich Serrano an seine Fersen. Die Verfolgung endete vor einem Haus mit bunt bemalter Fassade und großen Fenstern. Serrano setzte sich. Er kannte das Haus. Bis zum Mai war er regelmäßig um seine Ecken gestrichen und hatte auf Aurelia gewartet. Die Erinnerung daran schloss sich eng um seinen Hals. Schon fürchtete Serrano daran zu ersticken, als der Mann das Haus wieder verließ. Serrano sah in ein verschlossenes Gesicht. Darunter Wechselfelle aus schwarzer Tierhaut. Darüber ein Schädel, blank wie ein Kiesel. Was tue ich hier?, fragte er sich plötzlich. Was ist so abwegig daran, dass der Kahlkopf durchs Revier pilgert? Warum zum Teufel soll er nicht finster starren, wenn er nun einmal schlecht gelaunt ist? Was kann er für seine Augen, die aussehen, als hätte sie ihm jemand mit Gewalt in den Kopf gedrückt?
    Andererseits kostete es auch nichts, ihm noch ein paar Meter zu folgen. Einfach um zu wissen, wohin so einer gehörte.
    Nicht zum ersten Mal dankte Serrano der Natur für sein gestromtes Fell, das es ihm ermöglichte, mit Hauswänden und Zäunenzu verschmelzen. Unbemerkt folgte er dem Finsteren über eine Straße am Blumenladen vorbei zu einem Geschäft, das vor einiger Zeit geräumt worden war. Er hatte nie so recht verstanden, was man dort verkauft hatte. Neuerdings jedenfalls waren es Zweiräder. Der Mann blieb stehen und zog einen Öffner aus der Tasche. Als er ihn in die Tür schob, zuckte Serrano zusammen.
    Es dauerte eine Sekunde zu lang, bis er sich von seinem Schreck erholt hatte. Die Tür klappte zu. Vorsichtig, bedacht, kein noch so winziges Geräusch zu verursachen, näherte Serrano sich dem Laden. Rechts und links vom Eingang befanden sich je zwei verriegelte Kellerfenster. Die hinteren waren, wie er von früheren Streifzügen wusste, zugemauert. Aber das machte nichts. Denn wenn ihm sein Ohr keinen Streich spielte, kamen die fiependen Laute nicht aus dem Keller, sondern aus einem der darüberliegenden Räume.
    Den ersten Teil des Mittwochs verbrachte Liebermann damit, seine Wohnung auf Vordermann zu bringen, Vorräte zu beschaffen und sein Bücherregal zu sortieren. Da er nur wenige Bücher besaß, dauerte es nicht lang. Er absolvierte seine Rückenübungen und bügelte zwei Hemden und einen Schlafanzug von Miri. Danach schlug die Uhr der Erlöserkirche zwei, und Liebermann hatte das Gefühl, einen halben Liter Wasser verloren zu haben. Er beschloss, ihn umgehend im Katinka wieder nachzutanken.
    In der Bar traf er zu seiner gelinden Überraschung statt Jürgen Lauras neuen Mitbewohner am Zapfhahn. Hinter ihm stand Estrella. »Stör ihn nicht!«, sagte sie leise. »Es ist sein erstes Bier. Er muss sich konzentrieren.«
    Liebermann nickte und spähte wie gewohnt nach ihrem Bauch. »Heute Abend ist ein Infoabend im Geburtshaus«, fuhrsie fort, »Und David hat netterweise angeboten, Jürgen zu vertreten, damit wir beide hingehen können. He, hab ich mich dafür eigentlich schon bedankt?«
    »Mehrmals«, sagte David und drehte vorsichtig sein Glas unter dem Hahn. Auf seiner gesprenkelten Stirn glänzten Perlen, als wäre das Katinka eine Station auf einer Marathonstrecke, die er pflichtgemäß angelaufen hatte, um isotonische Getränke zu zapfen.
    »Ralph und Moritz wollen ihm heute Abend die Feuertaufe geben«, raunte Estrella Liebermann zu. »Ich mache mir ein wenig Sorgen. David lernt schnell, und er ist ehrgeizig, aber du kennst sie ja: Sie werden ihn zapfen lassen, bis er Blasen kriegt. Vielleicht solltest du ihm beistehen.«
    »Wäre Laura dafür nicht geeigneter?«, raunte Liebermann zurück.
    Prustend stellte David das Glas auf den Tresen. Die Krone kippte leicht links über, dennoch war seine Ausbilderin zufrieden. »Gut, noch zwei, und du hast es.« Der junge Mann wischte sich den Schweiß von der Stirn und griff nach dem nächsten Glas.
    »Sei nicht zu ehrgeizig«, mahnte ihn Liebermann, während er seine eigene Flasche von Estrella entgegennahm. »Irgendjemand muss das Zeug auch trinken.«
    Um diese Zeit war es noch ruhig in der Bar. Aus den Lautsprechern drang schläfriger Pop, der die Blätter der Zimmerpalmen in leichte Schwingungen versetzte. Zwei Rentnerinnen bewachten schwatzend ihre rotierende Wäsche auf der angrenzenden Galerie. Jürgen hatte sich nicht mit einer einfachen Kneipe begnügt, sondern ihr im Hinblick auf die jüngere und die alleinstehende Nachbarschaft einen Waschsalon beigefügt. Fünf

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