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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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Anwesenheit ist der Beweis dafür, dass in deinem Haus etwas in Unordnung geraten ist, Wu.« Zum ersten Mal benutzte er ihren Namen. Er wunderte sich, dass er ihm so leicht über die Zunge ging. »Denn wie ich schon sagte, ist er dazu berufen, Ordnungen wiederherzustellen, und dies ist sein Revier.«
    »Das Haus ist das Revier der Frau«, sagte Wu kalt.
    »Aber es gehört zum Viertel.«
    Ihre Augen verengten sich. »Na schön. Und weiter? Da dein Bekannter kaum wegen des Schattens unseren Rasen zertrampelt, ist er offenbar in einer menschlichen Angelegenheit unterwegs. Wir kümmern uns um unsere. So war es immer, und das aus gutem Grund: weil die Welt der Menschen und unsere absolut nichts miteinander zu tun haben.«
    »Abgesehen davon, dass es dieselbe ist«, sagte Serrano bitter. »Und abgesehen davon, dass ihre und unsere Angelegenheiten sich zuweilen überschneiden.« Er stand auf, was die Perserinnen sichtbar erleichterte. »Und was euren Schatten betrifft, haltet ihr euch am besten in Estebans Nähe. Noch besser, ihr bleibt im Haus.«
    Wu richtete sich langsam Wirbel für Wirbel auf. Ihr Hals schien unter der Anstrengung vollends zu skelettieren, dennoch wuchs er weiter aus ihrem Rumpf, bis sie mit Serrano auf Augenhöhe war. Die dunkelblauen Ränder ihrer Iris brannten.
    »Du weißt genauso gut wie ich, dass er wiederkommt«, sagte Serrano leise zu ihr. »Für eine Weile hält die Furcht vor deiner Frau ihn vielleicht in Schach, aber dir ist klar, dass er es irgendwann erneut versuchen wird. Nur wird er dann noch vorsichtiger sein und noch heimtückischer.«
    Sie entzog ihm ihren Blick und richtete ihn erst auf die vibrierenden Schwänze der Perserinnen, dann auf die beiden Männer, die den Garten gerade verließen, der fette diesmal voran. Als sie ihn wieder ansah, hatte Serrano den Eindruck, dass das brennende Eis ihrer Augen ein wenig getaut war. »Es gibt etwas, das deinen Ordnungshüter möglicherweise interessieren könnte.«
    Serrano verzog das Maul. »Ich höre.«
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass es in der Nähe einen Fluss gibt, auf dem menschliche Behausungen treiben, stimmt das?«
    »Schon. Aber ich sehe nicht, was das mit dem Schatten oder meinem Bekannten zu tun hätte.«
    »In diesen Behausungen leben auch Katzen.«
    »Kann sein.«
    »Ziemlich sicher. Eine davon hat nämlich vor kurzem einen menschlichen Kadaver am Flussufer liegen sehen.«
    Serrano versteifte sich. »Woher weißt du das?«
    »Quellen«, sagte Wu schlicht.
    »Sagen deine Quellen auch etwas über die Anwesenheit meines Bekannten bei diesem Kadaver?«
    »Nicht direkt. Aber ich finde, dass es ihn etwas angehen sollte, wenn einer von seinesgleichen tot am Fluss liegt, sofern er wirklich für die Ordnung in seinem Revier verantwortlich ist.«
    Serrano überhörte den Sarkasmus in ihrer Stimme. Er dachte nach. »Du meinst, die Spur dieses Toten hat meinen Bekannten hierhergeführt?«, fragte er schließlich.
    »Nun, das wäre der einzige Grund, der mir spontan einfällt, wenn es nicht das Flügelwesen ist. Die Frau sieht viel. Sie ist genauso gut informiert wie ich, auch ohne das Gelände zu verlassen.«
    Ein Eichhörnchen landete aus der Luft auf der Einfassung des Brunnens und witterte argwöhnisch zu ihnen herüber.
    Serrano zwinkerte ihm zu. »Spekulationen«, sagte er in gleichgültigem Ton. »Und Informationen aus zweitem Maul.«
    Auf Wus Wirbelsäule wuchs ein stachliger Grat aus flohfarbenem Fell.
    »Frag doch deine trächtige Freundin! Und sag ihr bei der Gelegenheit, sie möge es unterlassen, die Grenze zu meinem Revier mit ihrem Muttergestank zu verpesten.« Sie riss einen Löwenzahnkopf vom Stängel und fegte davon. Mit einem perplexen Fauchen folgten ihr die Perserinnen.
    Serrano sah ihnen lächelnd nach. Er konnte Wus Enttäuschung beinahe mitfühlen. Ein Punkt für den Kater. Gleichstand. Er musste sich beeilen.

14
    Zwanzig Minuten später betrat Liebermann an Simons Seite einen Raum, dessen Interieur der Potsdamer Frühgeschichte zu entstammen schien. Sein Zentrum bildeten vier zusammengeschobene Furniertische, umkränzt und geerdet von historischem Bodenbelag und orangefarbenen Vorhängen. Die Neuzeit hatte bisher lediglich in Form eines an der Decke befestigten Beamers und eines Flipcharts neben einer grünen Schultafel in den Konferenzraum Einzug gehalten.
    Offenbar führte er daneben ein Zweitleben als Fundus für Möbel und ausrangierte Computer, die man in einem Metallregal übereinandergestapelt hatte. Es war

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