Katzenmond
sparen.«
Er bannte sie mit seinem Blick, bis ihr Widerstand erlahmte. Sein Gegenüber zu sedieren, indem er ihm aufmerksam in die Augen sah, war eines der wenigen Talente, die Liebermann mit in die Wiege gelegt bekommen hatte, auch wenn er es selten bewusst einsetzte.
Constanze löste sich aus dem Bann, ging zu ihrem Schreibtisch und holte ein etwas abgestoßenes, schwarz lackiertes Kästchen herbei.
Es waren keine Schätze, die sich ihnen darboten. Genau genommen war es enttäuschend. Selbst Nico besaß mehr Schmuck. Eine Silberkette mit einem Fischanhänger, ein Paar Ohrringe, zwei Ringe. Der eine trug einen milchblauen Stein, der andere war aus Holz. Constanzes Fingerspitzen tasteten die Ecken und Ränder der Schatulle ab, dann nahm sie den Schmuck heraus und entfernte endlich den Samtflecken, auf dem er gelegen hatte. »Komisch.«
»Vielleicht in einem anderen Kästchen«, schlug Liebermann vor.
Sie ließ das Samtstück auf den Tisch fallen. »Ich habe kein anderes«, murmelte sie und hob die wenigen Bücher an, die säuberlich am Rand ihres Schreibtisches gestapelt lagen. Ihre Nervosität nahm zu. Müller grinste hämisch, während sie die Taschen eines Sommermantels, der auf dem Bett lag, umstülpte und ein Tampon herausfiel. Sie stülpte die Taschen wieder zurück. »Höchstens«, fuhr sie zögernd fort, »könnte ich ihn im Massagestudio liegen gelassen haben. Eigentlich nehme ich ihn nicht dorthin mit, aber in der letzten Zeit war ich ein wenig zerstreut.«
»Nehmen wir es mal an«, sagte Liebermann. »Wo wäre er dann jetzt?«
Sie hob die Schultern. »Wenn ihn jemand gefunden hat, wahrscheinlich im Rektorat.«
Elsa Laurent unterbrach ihr Gespräch mit einem älteren Mann in grüner Latzhose und eilte ihnen entgegen.
»Es war die Birne«, rief sie. »Besser gesagt, da ich sie natürlich ausgetauscht habe, zwei Birnen. Beide defekt, stellen Sie sich vor.«
»Energiesparlampen sind launisch«, meinte der Elektriker und klappte seine Tasche zu. »Flackern immer erst noch eine Weile herum, bevor sie einen endgültig verlassen. Wie Frauen.« Er wurde rot. »Entschuldigung, so hab ich’s nicht gemeint.«
»Keine Ursache«, sagte Frau Laurent. »Launen sind die Tiden der Frauen. Aber man kann sie beherrschen, wenn man sie zu nehmen weiß. Mit Lampen kenne ich mich weniger gut aus.« Sie wandte sich an Liebermann. »Waren Sie ebenfalls erfolgreich?«
»Wir wären noch erfolgreicher, wenn wir einen bestimmten Ring finden könnten.«
»Hier?«
»Fräulein van Hoefen meint, dass Fundstücke in der Regel bei Ihnen abgegeben werden.«
Während er sprach, wanderte Elsa Laurents Blick zu Constanze, die mit niedergeschlagenen Augen zwischen den beiden Polizisten stand. Dann verschwand sie kommentarlos im Nebenraum, um kurz darauf mit einem Umzugskarton zurückzukehren.
»Die Findelkiste«, sagte sie und stellte sie auf den Schreibtisch. »Kippen Sie sie ruhig aus.« Darauf wandte sie sich wieder dem Elektriker zu.
Trotz ihrer Aufforderung hatte Liebermann Hemmungen, die Kiste auf die glänzenden Schreibtischplatte zu leeren. Müller preschte vor und nahm es ihm ab. Genussvoll pflügte er Tücher, Regenjacken, Bücher und einen Sportschuh beiseite. Zurück blieb eine blaue Tüte, aus der er Kleinkram schüttete: Sonnenbrillen, einen Gürtel, ein zierliches Zigarettenetui, eine Zahnspange und eine Handvoll Schmuck. Mit spitzen Fingern pickte Müller einen silbernen Ring auf und hielt ihn ins Licht. Liebermann näherte sich ihm gespannt. Es brauchte schon etwas Phantasie, um in dem gebogenen Körper eine Schlange zu erkennen. Indes hatte Frau Laurent den Elektriker plaudernd aus dem Büro komplimentiert und gesellte sich zu ihnen.
»Na also«, sagte sie erfreut. »In einem geordneten Haushalt findet sich alles wieder.«
»Das ist eine Eidechse«, sagte Liebermann. »Was wir brauchen, ist eine Schlange.«
»Aber nein.« Sie wies auf eine Zickzacklinie, die sich längs über den Rücken der Echse zog.
»Sehen Sie das? Das ist ein stilisierter Kamm. Keine Eidechse besitzt so etwas. Höchstens ein Leguan, aber der hat einen größeren Kopf. Dieses hier ist die Nachbildung eines Lindwurms, auch unter Wasserschlange bekannt. Außerdem, Wurm odernicht: Es ist Fräulein van Hoefens Ring. Ich habe ein Auge für Schmuck, und ein solches Stück fällt auf. Constanze?«
Die Studentin, die sich während der Aktion im Hintergrund gehalten hatte, kam heran.
»Ist er das, oder nicht?«
Constanze streckte die Hand
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