Katzensprung
Kneipenwirt und seiner Frau, sind die inzwischen
außer Verdacht?«
»Wenn ich das wüsste«, seufzte Olga. »Für einen hieb- und
stichfesten Tatvorwurf reicht es nicht. Kann sein, kann auch nicht sein, mein Gefühl
sagt, eher nicht. Aber manche Leute spielen so gut Theater, dass sie sogar uns
hinters Licht führen.«
***
Clärchen, 4YEO,
ich muss hier weg, ich kann nicht mehr.
Heute Morgen war eine Todesanzeige von dieser ermordeten Kuh in der Zeitung. Da
ging die Nummer wieder los, meine Mutter hat geschrien, er hat geheult. Hat die
Kneipe zugemacht, weil jeder ihn drauf anlabert. Hängt zu Hause rum und macht
um fünf den Rotwein auf, rennt hinter Mom her wie ein Hund. Mom behauptet mal,
dass er die Alte umgebracht hat, dann wieder, dass er um sie trauert. Sie will
ihn rausschmeißen. Die ganze Kacke kommt auf mich runter.
Es ist alles so krank, ich kann nicht
mehr dagegen anatmen. Kann ich nicht zu dir kommen? Du könntest mich auf dem
Dachboden verstecken. Ich würde trampen und auf der Isomatte schlafen, alles
ist besser als hier. Ich könnte schon lange in Frankreich sein, bevor sie es
merken, hab schon nach einer Perücke geguckt.
Igor läuft und läuft, er sagt, er ist
kurz vor dem Superflow.
Ich glaube, ich störe ihn.
Er ist manchmal so komisch.
Ich weiß nicht mehr, wo ich hin soll,
Clari, überall wird’s dunkel. Du fehlst mir so.
OMG !
FU !!
hdggdl
Luna
***
Trudi zuckte zusammen, als Emilio an diesem Montagvormittag
plötzlich in der Tür stand. Sie hockte hinter dem Doppelbett, das sie von der
Wand geschoben hatte, und zerrte unter zwei angehobenen Dielen den Aktenkoffer
hervor, in dem Emilio das Schwarzgeld aus der Kneipe bunkerte. Gut
einhunderttausend Euro Notgroschen waren es im Laufe der Jahre geworden. Trudi
war nie wohl dabei gewesen, aber Emilio ging davon aus, dass es alle so machten
und dass es zum Ehrenkodex eines Kneipenwirtes gehörte, etwas an der Steuer
vorbeizuschleusen.
Emilio hechtete über das Bett und riss den Koffer an sich.
»Das ist meins«, keuchte er, »davon lässt du die Finger.«
»Frau Popovich wird sich sicher brennend dafür interessieren«,
giftete Trudi, »ich kann sie gleich mal anrufen. Ich wollte sowieso mit ihr
sprechen, mir geht eine Sache wie ein Mühlrad im Kopf herum.«
Emilio kniete auf der verrutschten Tagesdecke, den Koffer eng an den
Bauch gepresst; er drohte zu hyperventilieren.
»Was meinst du?«
»Dass du ausgerechnet an dem Abend zu Hause warst, das meine ich,
ich werde damit nicht fertig. Du bist sonst nie zu Hause geblieben, Luna oder
ich konnten vierzig Grad Fieber haben oder sonst wie am Verrecken sein, du bist
abgehauen, immer, immer warst du verschwunden. Und ausgerechnet an dem Abend,
an dem deine Geliebte um die Ecke gebracht wird, bist du zu Hause. Ganz
freiwillig und kuschelig wie ein Kater. Das muss mir erst mal einer erklären.
Der Kripo stößt es ja auch auf.«
»Ich wollte dich in der Situation nicht alleine lassen, ich habe es
dir tausendmal gesagt.«
»Bla, bla, wer einmal lügt.«
Trudi kniete hinter dem Bett und griff nach dem Koffer in Emilios
Hand. Sie rangelten darum, bis Trudis Handy klingelte, das in Emilios
Hosentasche steckte. Er nahm das Gespräch an. Es war die Gesamtschule Barmen,
die mitteilte, dass Luna heute den zweiten Tag unentschuldigt fehle.
»Sie war hier und ist heute Morgen aus dem Haus gegangen, wir
dachten, zur Schule«, stammelte Emilio.
»Frau Kleinschmidt lässt ausrichten, dass sie Sie gerne mal wegen
Luna sprechen würde«, sagte die Schulsekretärin, »wenn es Ihnen recht ist,
morgen um zwei, nach der sechsten Stunde.«
Emilio sagte, sie kämen, und ließ das Handy sinken.
»Die Schule, Luna war nicht da. Wo ist sie, Trudi? Sag was, du musst
es doch wissen.«
»Sie war die ganze letzte Zeit von morgens bis abends weg, und es
hat dich nicht interessiert. Was soll jetzt anders sein?«
»Sie schwänzt die Schule«, sagte Emilio, »das hat sie früher nicht
getan.«
»Mit fünfzehn schwänzt man schon mal«, geiferte Trudi, »vor allem,
wenn man total durcheinander ist, weil man einen Vater hat, der unter
Mordverdacht steht.«
Emilio versuchte wieder, ihr den Koffer zu entwinden, als das Handy
erneut klingelte. Diesmal war es Luna, sie klang verweint.
»Ich bin bei der Autobahnpolizei in Aachen, sie haben mich beim
Trampen erwischt. Könnt ihr mich abholen?«
»Luna, mein Schatz, aber sicher, Gott sei Dank, dass du da bist.
Wieso Grenze, was wolltest du da? … Aber ja, Papa
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