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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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Aber erst mal bin ich krank. Ich will tot sein, ich will
dieses Scheißleben nicht.
    Es ging in diesem Stil weiter, immer neue Männer tauchten auf,
das Muster war immer das gleiche. Zuerst Euphorie, dann ein Ende mit Eklats und
tiefen Depressionen.
    Ramona Wenklers Personalakte besagte, dass sie Lehramt für Deutsch
und Kunst studiert und das erste Staatsexamen gemacht hatte. Statt in den
Vorbereitungsdienst zu gehen, hatte sie als Honorarkraft in Jugendzentren
Theater- und Kunst- AG s angeboten. In ihrer
Wohnung hatte man sieben Honorarverträge gefunden, die jeweils über ein Jahr
reichten und dann nicht verlängert worden waren. Sie hatte sich mit dieser
schlecht bezahlten Arbeit über Wasser halten können, weil sie und ihre
Schwester jeweils zweihunderttausend Euro von den Eltern geerbt hatten, die
Ramona etwa zur Hälfte aufgezehrt hatte. Ihr Geld lag auf mehreren Konten
verteilt, die gerade überprüft wurden.
    Olga beschloss, die endgültige Tagebuchauswertung dem Kollegen
Fitzer zu überlassen, der gut darin war, schwierige Handschriften zu
entziffern. Deutlich war schon jetzt, dass das Tagebuch eine Menge Fährten
hergab, die sie verfolgen mussten. Eine Sisyphusarbeit, die vielen
Arbeitsstellen abzuklappern, allen Hinweisen nachzugehen und die Leute ausfindig
zu machen, die etwas über das Opfer wussten.
    Olga warf einen Blick auf die letzten Seiten des Hefts, in denen
Zettel steckten. Sie las rückwärts, die Schrift schlingerte durcheinander und
war noch schlechter lesbar als im ersten Teil. Olga begriff, dass es immer um
Emilio ging, Emilio, der Feigling und der Lügner, Emilio, der Affenarsch, der
Schwächling, der Egoist, das Schwein. Und immer wieder »Emilio mio«, der
Einzige, der Wahre, der Richtige, die Liebe ihres Lebens. Auf den Zetteln
standen mehrere Briefentwürfe:
    Frau Sassi, geben Sie Ihren Mann frei, leben
Sie nicht länger in dieser Lüge. Ihr Mann liebt mich, wir sind füreinander
bestimmt. – Sie tun mir leid, eine gehörnte Ehefrau. – Abgetakelte Schlampe, du
tust ihm nicht gut, du erpresst ihn, der will nichts von dir, der bleibt nur
aus Pflichtgefühl. Willst du das, einen, der widerwillig, notgedrungen bei dir
bleibt und in Wirklichkeit eine andere liebt? Dessen Herz einer anderen gehört?
    Sie schien nie einen abgeschickt zu haben; Frau Sassi hatte
nichts davon gesagt. Der Anruf am Morgen des Tattages schien der erste Kontakt
zu sein, den das Opfer zu ihr aufgenommen hatte. Der Sprung über die Schwelle
sozusagen, ein Zeichen für zunehmenden Druck.
    Wenn sie nur das iPhone finden würden. Olga war mehr und mehr davon überzeugt,
dass Ramona Wenkler ihren Mörder selbst gerufen haben musste.
    Tülays Handy läutete, und Olga hörte, wie sie dranging. An ihrem
genervten Ton erkannte sie, dass es Cem war, ein Kommilitone, der wie Tülay in
Deutschland geboren war, akzentfrei sprach und auf dem zweiten Bildungsweg
studierte. Er warb um sie. Olga fand ihn sympathisch und passend für Tülay,
aber die wies seine Annäherungsversuche vehement zurück. Ein Türke, und dazu
noch mit konservativer Familie, schimpfte sie, da lauerten hinter jeder Ecke
eine Tante mit Kopftuch und ein Onkel, der die Hand geküsst haben wolle. Und
immer nur Cay, Börek und Baklava, davon habe sie die Nase ein für alle Mal
voll.
    Tülay kam herein; sie hatte ihr dunkles Haar, das ihr über den
halben Rücken fiel, zu einem Zopf geflochten, in dem eine blaue Strähne
mäanderte.
    »Cem kommt auch zum Essen, ich konnte es nicht verhindern. Was steht
denn in dem Buch?«
    »Dass das ’ne arme Socke war, ein desolates Missbrauchsopfer, sie
hatte alle klassischen Symptome.«
    Nun ging Olgas Handy, das Display signalisierte Lenka. Olga drückte
weg und schaltete das Handy ganz aus. Lenka und Slatko waren seit drei Tagen
ohne Strom, ein Kurzschluss, den Slatko verursacht hatte, als er eine Lampe im
Schlafzimmer anbringen wollte. Er fahndete fieberhaft nach der Ursache und war
schließlich so weit, einen Elektriker zu rufen, aber Lenka machte ihm die Hölle
heiß, für seine Dummheit werde sie nicht auch noch zahlen.
    So saßen sie abends bei Kerzenschein und ohne Fernseher; die
Bewohner der ersten Etage hatten ihnen eine Verlängerungsschnur für den
Kühlschrank und die Tiefkühltruhe heraufgelegt.
    »Ich bin zu müde für ein Drama«, sagte Olga. »Max und ich gehen
morgen zum Essen hin, das muss reichen. Am Montag schicke ich einen Elektriker,
und wenn ich ihn selbst bezahle.«
    »Was ist mit diesem

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