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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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Rokokokommode. Sie küsste ihre
Eltern, und Lenka strahlte zu Max hinauf.
    »Haben Sie auch so schreckliche Beruf wie meine Olgiza? Niemals
Zeit, immer kommt was dazwischen, immer nur das Böse in die Welt, ausgerechnet
meine Tochter ist dafür zuständig.«
    Lenka nötigte die beiden an den weiß gedeckten Tisch, auf dem die
serbischen Krautwickel mit saurer Sahne dampften und dufteten. Während sie
aßen, packte Lenka sechs Wickel in eine Plastikdose, legte Tomatenscheiben und
schwarze Oliven darauf und übergoss alles mit Soße. Zusammen mit einem Stück
Brot schob sie die Dose in eine Tüte und drückte sie Max in die Hand.
    »Für Nachtdienst«, säuselte sie. »Sie sind junge Mann, brauchen Sie
was Kräftiges. Olgiza, du bleibst, Papa macht bisschen Musik. Komm, Schatz,
komm, eine Sliwowitz, du darfst eine.«
    Slatko hob wieder die Geige ans Kinn und fiedelte ein paar schräge
Töne, dann stimmte er einen rasenden Zigeunertanz an. Olga wippte, Lenka
stampfte den Takt mit und füllte die Sliwowitzgläser. Max hielt die Hand auf
seines, schüttelte den Kopf und brach mit sichtlichem Bedauern auf. Olga
brachte ihn an die Tür.
    »Selber schuld«, zischte sie, »hätte ein netter Abend werden
können.«
    Trostlosigkeit machte sich breit, als sie ihm durch das Treppenhaus
nachsah. Seine Schritte tappten die Holzstufen hinunter, seine Hand wanderte am
Lauf des Treppengeländers abwärts, seine Augen blitzten noch einmal zu ihr hoch.
    »Ciao, Süße, ich melde mich morgen.«
    »Ich habe Bereitschaft«, rief sie, »vielleicht bin ich gar nicht
da.«

Eine Leiche im Morgengrauen
    Sie schreien, wie nur zahnende Zwillinge schreien können,
schmerzverzerrte kleine Trompeten, zitternde Sabbermäulchen, heiße Bäckchen.
Sie riechen nach vergorener Milch und saurem Durchfall, die Popöchen sind wund,
fast roh. Wo anfangen, wie diesen kreischenden, jaulenden Schmerz besiegen?
    Olga erwachte nass geschwitzt und erleichtert, dass nur ihr Handy
piepte. Das Display zeigte sechs Uhr.
    »Weibliche Leiche am Sonnborner Ufer, kurz hinter Bayer. Frau
Popovich, Sie sollen zum Einsatzort kommen.«
    Die hohe Stimme vom Kollegen Lepple, ausgerechnet.
    Sie sprang auf und verfluchte die Sliwowitze, die sie am Abend
vorher bei ihren Eltern gekippt hatte. Sie hatte ihnen eigentlich nichts von
den Zwillingen sagen wollen, war aber mit jedem Sliwowitz wütender auf Max
geworden und hatte es schließlich doch erzählt. Lenka, die für alle Freunde
schwärmte, die Olga mit nach Hause brachte, hatte die Sache mit einer
Handbewegung abgetan. In Olgas Alter sei ein unbeschriebenes Blatt kaum mehr zu
finden, war ihre Meinung, was Olgas Wut noch mehr anheizte. Slatko hatte gar
nichts dazu gesagt und nur sorgenvoll auf seine Tochter geschaut.
    Sie duschte erst heiß, dann eiskalt und sprang in den kleinen
Sportflitzer, den sie sich nach ihrer Beförderung zur Kriminalhauptkommissarin
geleistet hatte. Der Morgen dämmerte, der frühe Samstagsverkehr war nur
spärlich, kein Stau verstopfte wie sonst den Döppersberg und die Bundesallee,
sodass Olga Gas geben konnte. Es sah nach Regen aus, die kurze
Schönwetterperiode schien schon wieder vorbei zu sein.
    Am Sonnborner Ufer standen sie im Morgenlicht an der Straße:
Feuerwehr, Notarzt, Spurensicherung, discoartig beleuchtet vom grellblauen
Blinken der Einsatzfahrzeuge. Ein schmaler Weg führte die Böschung hinunter zu
einer Fußgängerbrücke über die Wupper, die die Straße mit dem
gegenüberliegenden Stadion verband. Trotz der frühen Stunde hatten sich
Schaulustige auf der Brücke postiert, Rentner, die nicht schlafen konnten, und
einige Nachtschwärmer. Auf dem flachen Uferstreifen wuselte eine Mondmannschaft
in weißen Schutzanzügen, Scheinwerfer erhellten die Dämmerung, die Blitzlichter
des Polizeifotografen zuckten. Ein Feuerwehrmann stand im Wasser und legte
einem angetriebenen Bündel Gurte an, mit denen es vorsichtig ans Ufer geholt
wurde.
    Olga zog ebenfalls einen Schutzanzug und Einmalhandschuhe über. Sie
ärgerte sich wie immer, weil die Arme und Beine zu lang waren und sie sie
mehrmals aufkrempeln musste.
    »Sie sollen den Tatort übernehmen, Frau Popovich, Herr Bauer kommt
gleich.«
    Josef Lepple bellte in dem militärisch abgehackten Ton, der Olga
nervte, seit sie ihn kannte. Er machte einen beleidigten Eindruck, seine
hellblauen Augen waren aufgerissen und durch eine Weitsichtbrille stark
vergrößert. Ihn und Olga verband ein intensives Konkurrenzverhältnis, seitdem
Lepple vor

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