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Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Titel: Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ondaatje
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abgesetzt, und Sunil verrieb eine Salbe auf dem Schnitt an ihrem Handgelenk, und dann hob Emily tapfer den Arm, damit wir alle den Armreif daran sehen konnten. Diese Vorstellung der Jankla-Truppe fand am späten Nachmittag statt, und danach gingen die meisten Passagiere in ihre Kabinen zurück, um sich auszuruhen oder sich für das Abendessen umzukleiden.
     
    Es war Abend, ein paar Stunden später. Cassius und ich kauerten im selben Rettungsboot wie zwei Abende zuvor, als wir mitgehört hatten, dass Emily sich hier mit jemandem treffen sollte. Wir saßen im Dunkeln und hörten ein vorsichtiges Gespräch zwischen Emily und einem Mann, der sich zu ihr gesellt hatte. Und irgendwann sagte er, er heiße Lucius Perera. Der unsichtbare Perera, der Perera von der Kriminalpolizei, sprach aus irgendeinem Grund mit meiner Cousine und enthüllte ihr seine Identität!
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie es sind«, sagte Emily.
    Ich dachte an alle Stimmen, die ich während der Fahrt gehört oder belauscht hatte. Ich war mir sicher, dass ich die Stimme dieses Mannes noch nie gehört hatte. Das Gespräch klang beiläufig, bis Emily sich nach der Befindlichkeit des Gefangenen erkundigte. Pereras Reaktion war ungehaltener Spott über ihre Anteilnahme. Er fragte sie, ob sie überhaupt wisse, welche Verbrechen der Gefangene begangen hatte.
    Wir hörten, wie Emily sich entfernte.
    Mr. Perera blieb zurück, direkt unter uns, und ging auf und ab. Ein ranghoher Polizeibeamter aus Colombo, so nahe unter uns, dass wir hörten, wie sein Streichholz entzündet wurde und aufflammte, bevor es seine Zigarette anzündete.
    Dann kam Emily zurück. »Entschuldigung«, sagte sie. Mehr nicht. Und sie begannen sich wieder zu unterhalten.
    Als ich Emilys erste Worte hörte, klang ihre Stimme müde, schläfrig, trotz ihrer Neugier auf Niemeyers Zustand. Als Perera ungehalten wurde, war sie einfach weggegangen. Sie wollte das Gespräch nicht fortsetzen. Das hatte ich oft an ihr bemerkt – bei Emily gab es eine Grenze, die man nicht überschreiten durfte. Sie war wagemutig und höflich, aber sie konnte sich auch im Handumdrehen verschließen und abwenden. Doch aus einem unerfindlichen Grund war sie nun wiedergekommen, um ihr Gespräch mit Perera fortzusetzen. Aus Höflichkeit? Ihre Freundlichkeit kam mir unaufrichtig vor. Ich entsann mich Sunils Bemerkung über den Mann, mit dem sie sich treffen sollte. »Er wird hinter dir her sein.« Und als hätte Perera meine Gedanken aufgegriffen, hatte er sich ihr offenbar genähert oder sie berührt, denn sie sagte: »Nein. Nicht.« Sie schrie leise auf.
    »Das ist der Armreif, den Sie heute gewonnen haben, nicht wahr?« sagte er leise. »Zeigen Sie mir Ihre Hand …« Seine Stimme klang entschieden, als suchte er nach einer Information, die nur er erkennen konnte. »Geben Sie mir Ihre Hand.«
    Es war, als hörten wir im Dunkeln Radio. »Das ist …« hörten wir ihn sagen. Geräusche wie von einem Handgemenge. Irgend etwas passierte. Kein Wort fiel. Ich hörte, wie jemand neben unserem Rettungsboot keuchte oder seufzte, und dann den dumpfen Aufprall eines Körpers. Eine weibliche Stimme flüsterte.
    Cassius und ich regten uns nicht. Ich weiß nicht, wie lange wir so dasaßen. Es muss eine lange Zeit gewesen sein. Bis das Flüstern verstummte und Stille herrschte. Dann kletterten wir aus dem Rettungsboot. Ein Toter lag an Deck; ich sah die Hände des Mannes, die seinen Hals umfassten, wie um eine Schnittwunde zu bedecken. Das musste Mr. Perera sein. Wir gingen auf ihn zu, doch während wir uns näherten, begann der Körper zu zittern. Wir erstarrten, und dann rannten wir in die Dunkelheit davon.
    Ich erreichte meine Kabine, setzte mich auf das obere Bett und blickte ratlos zur Tür. Cassius und ich hatten kein Wort gewechselt. Wir waren nur weggerannt. Der einzige Mensch, mit dem ich unter anderen Umständen gesprochen hätte, war Emily, und mit ihr konnte ich nicht reden. Sie hatte offenbar ein Messer bei sich gehabt, dachte ich. Vielleicht war sie weggegangen, um ein Messer zu holen. Ich hörte auf zu denken und hielt den Blick auf die Tür gerichtet. Sie ging auf. Hastie kam mit Invernio, Tolroy und Babstock herein, und ich ließ mich schnell zurückfallen und tat so, als schliefe ich, und dann hörte ich zu, wie sie sich leise unterhielten und zu bieten begannen.
     
    Ich saß mit Cassius in Ramadhins Kabine auf dem Fußboden. Es war früh am Morgen; wir wussten beide, dass wir Ramadhin erzählen mussten, was

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