Kautschuk
Bernhards Glas. »Lassen Sie sich man ‘nen Rat geben, junger Mann: Für Ihr Leiden ist das viele Bier nicht gut!«
Bernhard lachte laut. »Keine Angst, Herr Schappmann! Wird mir hoffentlich so bald nicht wieder passieren!«
»Übrigens, Kollege Wittebold, Sie wollten doch immer ‘ne Tischlampe haben? Wenn Sie Herrn Bernhard ein gutes Wort geben, macht er Ihnen das gerne. Er hat mir angeboten, wenn in meiner Wohnung mal was kaputt wär’, wollte er’s in Ordnung bringen. Und bei den teuren Zeiten muß man sparen, wo es geht.«
»Ach, das wäre sehr schön, Herr Bernhard! Bei meiner Dekkenlampe kann ich abends so schlecht lesen. Ich hab’ es ausgemessen: mit vier Meter Leitung und einer Steckdose kämen wir aus.«
»Aber gewiß, Herr Wittebold! Dann komm’ ich morgen nachmittag nach Dienstschluß zu Ihnen. Bringe alles mit.«
Schappmann sah auf die Uhr. »Ich glaube, Kollege, wir gehen. Luise wartet.«
Auch die anderen machten sich ans Bezahlen. Werkmeister Lehmann suchte vergeblich nach Kleingeld. »Es langt nicht«, brummte er vor sich hin, holte seine Brieftasche heraus und legte sie auf die Knie. Sie kam Wittebold recht umfangreich vor. Während Lehmann darin herumfingerte, ergriff Wittebold sein leeres Glas, beugte sich weit zur Theke hin und rief: »Noch schnell einen zum Abgewöhnen, Herr Nestler!« Dabei konnte er unauffällig Lehmanns Brieftasche mustern, die ein starkes Bündel von Zwanzigmarkscheinen enthielt. Während sie das Lokal verließen, fiel Wittebolds Blick auf den Abreißkalender. Meister Lehmann muß ein vermögender Mann sein, wenn er am Siebzehnten noch eine so gutgespickte Brieftasche hat! dachte er sich.
Als sich Lehmann und Bernhard von den anderen getrennt hatten, schlenderten sie langsam die Straße hinunter.
»Ja – wie wird’s nun?« fragte Bernhard. »Wir konnten vorhin die Sache nicht zu Ende besprechen, weil das dämliche Kamel, der Schappmann, dazukam. Den Katalysator aus der GxAbteilung muß ich unbedingt haben. Man schrieb mir heute morgen wieder dringend.«
»Ich hab’ Ihnen schon mal gesagt, Bernhard, daß ich mich auf keinen Fall an den Nachfolger von Schmidt ranmache. Waschke heißt der Kerl. Der macht mir nicht den Eindruck, als ob er sich auf solche Fisimatenten einließe.«
»Mag sein«, erwiderte Bernhard. »Aber seine Frau ist da anders. Die gibt gern Geld aus.«
»Woher wissen Sie das?«
Bernhard lachte. »Das gehört doch dazu! Ich weiß, daß seine Frau Elise heißt, daß er drei Kinder hat. Das älteste ist fünfzehn, das jüngste vier Jahre. Die Bälger kosten allerhand. Die Frau treibt gern Staat. Na, da könnten so ein paar hundert Mark doch willkommen sein ... Was riskiert er denn groß? Ganz einfache Sache! Füllt sich von zwei Zentnern Katalysatorstoff ein halbes Pfund ab, steckt’s in die Tasche, gibt’s Ihnen ... Na, ich denke, schneller und gefahrloser kann man sein Geld nicht verdienen.«
»Ich hab’ mir das vorhin schon durch den Kopf gehn lassen. Es ist doch vielleicht besser, ich versprech’ dem Schmidt, der früher den Posten hatte, fünfzig Mark, wenn er den Waschke rumkriegt. Die fünfzig Mark müssen Sie aber drauflegen, Bernhard.«
»Gut«, sagte der. »Wenn Sie’s nicht anders wollen, machen wir’s so. Wenn ich das Zeugs nur bald kriege!«
Gegen Abend des folgenden Tages kam Bernhard mit seinem Handwerkszeug zu Schappmann, um Wittebolds Tischlampe zu installieren. In kurzer Zeit war die einfache Arbeit gemacht, und Wittebold entzündete mit unverhohlenem Vergnügen die Stehlampe, die er sich inzwischen gekauft hatte.
»Wenn Sie schon absolut nichts nehmen wollen, Herr Bernhard, nicht mal ‘nen kleinen Imbiß, dann wollen wir wenigstens einen drauf trinken. Hab’ da ‘nen ganz anständigen Schnaps.« Wittebold füllte zwei glatte, runde Gläser, die einen sehr kurzen Fuß hatten, und trank Bernhard zu. »Na, noch einen?« Er goß noch einmal ein, wobei er jedoch für Bernhard, von diesem unbemerkt, ein neues, noch unbenutztes Glas wählte. Nach einem kurzen Gespräch verabschiedete sich Bernhard dann.
Kaum war der draußen, als Wittebold die beiden Gläser in ein Wandschränkchen schloß, seinen Hut nahm und ihm folgte. Aus der Unterhaltung mit Bernhard wußte er, daß der abends immer auswärts aß. Aber wo? Jedenfalls konnte es nichts schaden, wenn man feststellte, wo Bernhard zu verkehren pflegte.
Vorläufig verschwand der erst mal in seinem Hause. Nach einer kurzen halben Stunde – es schlug gerade sieben –
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