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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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sein Geheiß brachte der Kellner eine Flasche ältesten Burgunder – seine Lieblingsmarke. Frau Johnson trank mit Kennermiene und warf ihm über den Rand des Glases einen anerkennenden Blick zu. Galt er dem Wein – galt er dem, der ihn gewählt? Düsterlohs Herz brannte lichterloh.
    Dieses entzückende Weib! Wie war Bosfeld zu ihr gekommen? Er glaubte kein Wort von dem, was er über sie erzählt hatte. Doch einerlei: mochte sie nun die Witwe des englischen Majors sein oder sonst jemand – sie war jedenfalls eine überaus reizvolle Frau.
    Endlich – wie lange schon hatte er darauf gewartet! – erhob sich der andere, um hinauszugehen. Düsterlohs Komplimente wurden feuriger; seine Blicke begannen eine immer deutlichere Sprache zu reden.
    Juliette ging völlig in ihrer Rolle auf. Und ein prickelndes Gefühl sagte ihr, daß jetzt der Hauptmoment komme; denn Bosfelds Blick hatte ihr das Stichwort zugeworfen.
    Die Aktentasche da drüben auf dem Sessel neben Düsterloh ... Der galt’s! Barg sie doch die kostbare Beute ...
    Die Kapelle der Bar setzte laut ein. Ein neues Stichwort bedeutete das in dem aufregenden Spiel ...
    »Wie meinten Sie, Herr Direktor? Unmöglich, bei dieser Musik etwas zu verstehen!« Juliette war aufgestanden, glitt zur anderen Tischseite hinüber, an der Düsterloh saß, wollte sich auf den Sessel neben ihm setzen. Da erst schien sie die Aktentasche zu bemerken ... Düsterloh streckte die Hand aus, um sie wegzunehmen; doch Juliette hatte sie schon ergriffen, stellte sie hinter Düsterlohs Platz an die Nischenwand und setzte sich nun nah an ihren Tischgenossen heran, wie um ihn besser zu hören.
    Und jetzt begann sie ihr Spiel: bald weit in den Sessel zurückgelehnt, bald dicht zu Düsterloh vorgebeugt, ließ sie ihn in betörendem Wechsel alle Vollkommenheiten ihrer Reize bewundern. Dazu ihr berückendes Geplauder, ihr Lachen ... Düsterloh sank immer tiefer in ihren Bann, vergaß Zeit und Raum.
    Er schreckte erst auf, als Bosfeld plötzlich zurückkam. Der setzte sich, ohne scheinbar Juliettes Platzwechsel Beachtung zu schenken, auf seinen Stuhl. Seine Hand glitt suchend in die Tasche. »O weh! Wo ist mein goldener Füllhalter geblieben?« Er stand auf und überlegte.
    »Vielleicht haben Sie ihn draußen verloren?« sagte Düster-loh, der ihn gern noch einmal loswerden wollte.
    »Möglich!« Bosfeld ging um den Tisch herum und verließ hinter Düsterlohs Rücken die Nische. Unbemerkt nahm er dabei die Aktentasche mit hinaus.
    Juliettes Herz klopfte stärker. Der entscheidende Akt begann. Acht Minuten! So lange mußte sie Düsterloh von jedem anderen Gedanken fernhalten. Sie besann sich auf ihre letzten und feinsten Künste, die einen Heiligen hätten verführen können.
    In Düsterlohs Hirn wirbelte es wie im Faschingstrubel. Was war das für ein Teufelsweib! Bald schien sie nachzugeben, bald wehrte sie kühl; bald schien sie zu locken, bald stieß sie ihn zurück. Wild taumelten seine Gedanken und Gefühle durcheinander.
    Und Juliette selbst? Auch sie war im Taumel ... im Taumel des aufregenden Zwanges ihrer Rolle. Das war ja nicht der harmlose Provinzler, für den sie ihn anfangs gehalten; das war ein raffinierter Frauenkenner, der wohl schon manche Festung erobert hatte. Nie hätte sie ihr Spiel so gut durchführen können, wäre nicht Düsterloh der Mann gewesen, der tatsächlich ein Frauenherz erwärmen konnte. Den jetzt ganz bezwungen, ihn so vollständig gefesselt zu haben, daß er nichts anderes dachte und sah als sie ... wie prickelnd das berauschende Gefühl, das sich in wollüstiger Süße über sie legte ...
    Ein lautes Husten am Nischeneingang. Bosfeld –! Ein Blick von ihm: Gelungen! Die Mappe glitt unhörbar auf ihren Platz...
    Als man sich endlich trennte, schied Düsterloh, nicht ohne die Hoffnung, die reizende Engländerin in nächster Zeit wiederzutreffen.
    Als er am nächsten Morgen nach Langenau kam, führte ihn sein erster Weg zum Archiv. Im Begriff, in das Zimmer zu treten, stieß er auf den Bürodiener Wittebold, der dienstbeflissen die Tür vor ihm aufriß.
    Düsterloh ging an die Tischschranke, nahm ein Schriftstück aus seiner Mappe und legte es auf die Platte. »Hier bringe ich Ihnen das Fortuynsche Exposé wieder!« rief er Dr. Hempel zu, der auf der Leiter stand und in einem Regal suchte.
    »Danke schön, Herr Direktor! Schon wieder da aus Berlin?«
    »Ja, lieber Doktor. Beinahe hätt’ ich gesagt: ›leider‹. Es war sehr nett. Aber wegen der Sitzung morgen

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