Kavaliersdelikt-Liebe ist universell
Geringsten, was er sich mit ihm alles vorgestellt hatte.
Hendriks Atem ging unwillkürlich schneller.
Leandro. Allein der Name zerging auf der Zunge wie zart schmelzende Vollmilchschokolade und hinterließ das erregende Prickeln hochprozentigen Alkohols.
Er war ein absoluter Traumtyp. Sein Traumtyp.
Größer als er selbst, etwas kräftiger mit dunkler Haut. Ein echter Sonnyboy, der unglaublich nett lächeln konnte, sodass seine braunen Augen buchstäblich strahlten.
Ein einziges Mal hatte er Hendrik direkt angesehen, als dieser ziemlich weit vorne an der Bühne gestanden hatte. Leandro hatte wirklich zu ihm hingesehen, gelächelt, und auch wenn es nur Zufall gewesen sein konnte, für Hendrik war es der Himmel auf Erden gewesen und hatte ihm eine unruhige Nacht mit sehr erotischen Fantasien beschert. Danach hatte er sich jedoch lieber weiter nach hinten gestellt, dort, wo ihn Leandro nicht sehen konnte, denn er hatte furchtbare Angst gehabt, dass dieser womöglich erkennen konnte, was er für ihn empfand. Hendriks Augen hätten todsicher sofort sein kleines Geheimnis offenbart, wenn er nicht höllisch aufgepasst hätte, Leandro nicht mehr zu nahe zu kommen.
Jede Nacht träumte er von ihm, seinem Gesicht, seinen wunderschönen Augen, seinen Lippen, seinen Händen, wie er riechen würde. Tagsüber malte er sich aus, wie es wäre, ihn als Freund zu haben, gemeinsam zu lachen, Händchen zu halten, sich anzulächeln und natürlich mehr.
Und heute an diesem grauen Sommertag ging er wahrhaftig mit Leandro zusammen zu einem Café, um mit ihm zusammenzusitzen, sich näher kennenzulernen.
Oh Mann, wenn der nur wüsste, dass ich gar kein Mädchen bin. Zudem noch schwul und absolut auf ihn stehe, dachte Hendrik verzweifelt. Ich konnte doch vorhin nicht einfach „Nein“ sagen. Niemals hatte er auch nur zu hoffen gewagt, Leandro einmal derart nahe zu kommen, um ihm mehr als ein schüchternes „Hallo“ zu sagen. Und dann sprach dieser ihn wahrhaftig selbst an.
Egal, dann hielt er ihn eben für ein Mädchen. Wenn er deswegen nur ein wenig Zeit mit ihm verbringen durfte, nur ein wenig davon träumen durfte ...
„Du bist ein wenig schüchtern, oder?“, unterbrach Leandro abrupt Hendriks sehnsüchtige Überlegungen und lächelte ihn freundlich an. In Hendriks Hals wurde es noch enger. Sein blödes Herz schlug ohnehin schon derart schnell, dass es ein Wunder war, dass Leandro es nicht hören konnte.
„Eigentlich nicht“, gab Hendrik viel zu leise zu, sich bewusst, dass er vermutlich wirklich schüchtern klang, aber er hatte Angst, dass seine Stimme ihn verraten würde. Es war eben keine helle Stimme und kichern konnte er auch nicht besonders gut. An ihm war eigentlich nur sehr wenig Mädchenhaftes.
Okay, er war ein wenig schmaler als andere Jungs in seinem Alter und sein Gesicht nicht so männlich kantig wie er es gerne gehabt hätte. Es wirkte einfach noch zu unfertig.
Ab und an hatte ihn deswegen tatsächlich auch schon zuvor jemand für ein Mädchen gehalten. Vermutlich aber vor allem wegen seiner dummen, kringeligen, viel zu langen Haare.
Er trug sie jetzt offen, hatte das kitschig gruselige Zopfgummi seiner Schwester tief in seiner Jeanshosentasche verstaut.
Klar, seine Haare waren für einen Jungen wirklich zu lang. Wenn er sie allerdings kürzer schneiden ließ, lockten sie sich noch viel mehr und er sah aus wie eine dieser blöden, kitschigen Amorfiguren oder Engelchen. Voll niedlich und süß. Bäh!
Zumindest fanden Erwachsene ihn damit goldig. Er hingegen hatte schon in den ersten Schuljahren erfahren, dass „niedlich“ und „süß“ Begriffe waren, die einem als Jungen nur Hohn und blaue Flecke einhandeln konnten.
Daher ließ er seine Haare einfach lang wachsen. Er mochte es lieber, band sie nur beim Malen zurück.
Seine Schwester würde ihn umbringen, wenn sie herausfand, dass er sich heute Morgen heimlich an ihrem heiligen Vorrat bedient hatte, weil ihm sein eigenes, schwarzes Haargummi zerrissen war. Zu seinem Leidwesen hatte sie jedoch nur diese fürchterlichen Mädchenzopfgummis gehabt. Rieke stand auf diesen Kitsch, obwohl sie älter als er war.
Hendrik fuhr sich grübelnd durch seine ungeliebten Haare. Hielt ihn Leandro deswegen vielleicht für ein Mädchen? Offenbar ja. Und scheinbar gefiel ihm, was er sah. Sonst hätte er ihn bestimmt nicht eingeladen.
Vorsichtig blickte Hendrik erneut zu ihm hinüber und schaute prompt direkt in Leandro strahlende Augen.
„Deine Haare sehen
Weitere Kostenlose Bücher