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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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empfinden und die Vergangenheit beinahe vergessen haben.
      Seitdem war so viel geschehen. Sie hatte geheiratet. Sie hatte Charleston den Rücken gekehrt. Sie leitete inzwischen ein großes Institut unweit von Boston. Sie und Benton wohnten tatsächlich zum ersten Mal wie ein Paar zusammen, und zwar in einem wunderschönen alten Haus in Belmont, an dem Marino ein- oder zweimal nachts vorbeigefahren war. Mittlerweile hatten sie auch eine Wohnung in New York. Hin und wieder schlenderte er einige Häuserblocks östlich vom Central Park den Hudson entlang, betrachtete das Haus, in dem sie lebten, und zählte die Stockwerke ab, bis er ziemlich sicher war, die richtige Wohnung bestimmen zu können. Ständig trat sie im Fernsehen auf. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass die Leute sie um ein Autogramm baten. Das war für ihn undenkbar. Sie mochte diese Art von Aufmerksamkeit nicht. Zumindest hoffte er das, denn sonst hätte sie sich sehr verändert haben müssen.
      Er beobachtete Scarpetta mit dem starken Nachtsichtgerät, das Lucy ihm vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte, und sehnte sich nach dem Klang ihrer Stimme. Ihre Stimmung konnte er an ihren Bewegungen ablesen, daran, wie sie das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte und mit den Händen gestikulierte. Sie trug dunkle Handschuhe. Sie drängte sich nicht gern in den Vordergrund. Es hieß, dass sie sich lieber zurücknahm, weil ihre Meinung dadurch noch deutlicher wurde. Sie neigte nicht zur Dramatik. Das hatte Marino ebenfalls gehört. Wie er sich erinnerte, hatte Berger es so ausgedrückt, als sie geschildert hatte, wie Scarpetta sich im Zeugenstand verhielt. Sie hatte es nicht nötig, die Stimme zu erheben oder mit den Händen zu fuchteln, sondern saß nur ruhig da und wandte sich an die Geschworenen, die ihr vertrauten und glaubten.
      Durch das Nachtsichtgerät erkannte Marino ihren langen Mantel und ihr makellos frisiertes blondes Haar, das ein wenig länger war als früher. Es fiel ihr ein Stück über den Kragen und war aus der Stirn gekämmt. Er betrachtete ihre vertrauten markanten Züge, zu denen ihm kein Vergleich einfiel, denn sie war attraktiv, ohne hübsch zu sein. Ihr Gesicht war zu scharf geschnitten für eine Schönheitskönigin und hätte nicht zu den Bohnenstangen gepasst, die in Designerkleidern auf Modenschauen über den Laufsteg staksten.
      Er befürchtete, sich übergeben zu müssen, wie an jenem Morgen im Kutschhaus. Sein Herz begann zu klopfen, als wollte es sich selbst Schmerz zufügen.
      Er sehnte sich nach ihr, doch in seinem dunklen, nach Rost riechenden Versteck kam er zu dem Schluss, dass er sie nicht mehr auf dieselbe Weise liebte wie früher. Er hatte einen selbstzerstörerischen Pfahl in den Teil von sich getrieben, wo stets die Hoffnung gelauert hatte. Nun war sie tot. Marino hoffte nicht mehr, dass sie sich eines Tages in ihn verlieben würde. Sie war verheiratet, und die Hoffnung war gestorben. Sie wäre auch nicht mehr zum Leben erwacht, wenn es Benton nicht gegeben hätte. Marino hatte die Hoffnung getötet. Noch nie im Leben hatte er sich an einer Frau vergriffen, und dann war es ausgerechnet bei ihr geschehen.
      Selbst wenn er noch so betrunken gewesen war, hatte er sich nie einer Frau aufgedrängt.
      Wenn er sie küsste und sie seine Zunge nicht im Mund haben wollte, akzeptierte er das. Wenn sie seine Hände wegschob, berührte er sie unaufgefordert kein zweites Mal. Wenn er einen Ständer und sie kein Interesse hatte, presste er sich nicht an sie oder zwängte die Hand zwischen ihre Beine.
      Wenn ihr auffiel, dass die Erektion anhielt, versuchte er es mit einem Witz. Er salutiert nur, Baby. Er steht immer auf, wenn eine Dame im Zimmer ist. Hey, Baby, nur weil ich einen Schaltknüppel habe, musst du noch lange nicht mein Auto fahren.
      Marino mochte ein ungehobelter und ungebildeter Kerl sein, aber er war kein Sexualstraftäter. Er war kein schlechter Mensch. Doch woher sollte Scarpetta das wissen? Er hatte am Morgen danach nichts unternommen, um die Situation zu retten. Er hatte nicht den leisesten Versuch gemacht, als sie ihm Tee und trockenen Toast ins Gästezimmer gebracht hatte. Was hatte er stattdessen getan? Gedächtnisschwund vorgespielt. Er hatte sich über den Bourbon in ihrer Hausbar beschwert, als ob es ihre Schuld gewesen wäre, ein Getränk im Haus zu haben, von dem man einen solchen Mordskater bekam und sein Erinnerungsvermögen verlor.
      Er hatte sich nicht

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