Kayankaya 4 - Kismet
denen vielleicht genau deshalb fast nie etwas passierte. Romario jedenfalls behandelte die Schläger wie Idioten, die mal bitte darüber nachdenken sollten, wie er das Geld, das sie von ihm verlangten, einnehmen solle, wenn sie ihm mitten in der Hauptbetriebszeit dauernd im Weg rumständen. Nach einer halben Stunde und nachdem ihnen Romario mit zwei Gratis-Lambruscos den Magen verdorben hatte, zogen sie entnervt davon.
».. .Und ich dachte, mit meiner Pistole und ein paar Schießstunden ginge das so weiter. Die meisten jagt man davon, aber wenn sich jemand nicht davonjagen läßt und wenn man’s verkraften kann, zahlt man eben. Bei dieser komischen Armee war es ja nur die enorme Summe, warum ich dich um Hilfe gebeten habe. Aber inzwischen denke ich - also mal vorausgesetzt, die Versicherung macht keine Probleme -, ist es besser, ich zahle. Und dann gibst du ihnen das Auto zurück, und wir vergessen das Ganze.«
»Ach ja? Und die Toten, geb ich die auch zurück?«
»Du erklärst diesem Ahrens einfach, wie es war: Notwehr. In solchen Kreisen gehört so was doch dazu.«
»Aber ich gehör nicht zu solchen Kreisen. Außerdem hast du mein Gesicht vergessen. Was gibt’s dafür?«
Romario hob leicht die Schultern und druckste herum. Vielleicht dachte er, daß ein zerschlagenes Gesicht an meinem Aussehen nicht allzuviel änderte. Im übrigen glaubte ich, daß er genau wegen des Gesichts versuchte mich zum Ausstieg zu überreden. Bisher war sein Plan gewesen, die Versicherungssumme zu kassieren, eine Weile unterzutauchen und, wenn sich die Angelegenheit beruhigt hätte, irgendwo anders von neuem sein Glück zu versuchen. Die Tatsache, daß ich nicht lockerließ und er, ob er wollte oder nicht, in der Sache mit drinhing, brachte seinen Plan und nicht zuletzt auch sein Gesicht in Gefahr. Vor allem das. Die rührende, absolut selbstlos erscheinende Pflege, mit der er mich während des gesamten Nachmittags bedacht hatte, konnte ich mir nur mit einer Art umgekehrter Projektion erklären.
In dem Moment klingelte das Telefon. Romario, dankbar für die Unterbrechung, sprang auf und brachte mir den Apparat. Dann verschwand er in der Küche. Ich nahm den Hörer ab und sagte: »Hallo.«
»Hey, Kayankaya«, rief mir ein offenbar prächtig gelaunter Slibulsky ins Ohr, »du klingst, als hättest du diese scheiß Armeetypen gefunden und sie hätten dir zur Begrüßung ‘nen Betonpfeiler in die Fresse geworfen.« Er lachte fröhlich, und nach dem irgendwie stickigen Abend mit Oma Romario war das wie frische Luft. »Was is los? Hast du Deborah unterm Ventilator gevögelt und dir ’n Schnupfen geholt?«
»Ich hab die scheiß Armeetypen gefunden, und sie haben mir zur Begrüßung ‘nen Betonpfeiler in die Fresse geworfen.«
»Wie? Ohne Witz?«
Ich erzählte ihm kurz, was passiert war und daß es mir seit der Spritze schon wieder einigermaßen gehe. »Du hast ‘n Verband im Gesicht?«
»Hm.«
»Wann kommt der runter?«
»Keine Ahnung.«
»Erkennt man trotzdem ein bißchen was von dir?«
»Was soll das werden? Ein Geständnis, daß dir was fehlt, wenn du nicht alle paar Tage ein Stück nacktes Gesicht von mir siehst?«
»Gina gibt nächsten Freitag ein Essen, richtig mit Kerzen und Tischdecke. Sie ist zur Leiterin ‘ner Museumsabteilung ernannt worden. Na ja, und da kommen ’n Haufen Freundinnen und Kolleginnen von ihr. Zum Teil wirklich schicke Damen. Aber wenn man nur deine Wampe sieht, sind das für ‘ne erste Begegnung nicht gerade Topbedingungen.«
»Du wirst es kaum glauben, aber im Moment…«
»Weiß schon, weiß schon: die Armee und dein Gewissen und keine Zeit undundund … Wenn du nächsten Freitag halbwegs ansehnlich bist und nicht vorbeikommst, haben wir ‘n echtes Problem. Okay?«
»Okay.«
»Was vom Tangomann gehört?«
»Kann man so sagen. Heute morgen >Kein schöner Land< unter der Dusche, und jetzt, wie er meine Küche auf Hochglanz bringt.«
»Wieder kein Witz?«
»Nein. Er lebt, und wie.«
»Na, erzähl’s mir ein andermal, ich muß zu meinen Verkäufern zurück. Wir haben drüben ‘ne kleine Party: Drei Jahre Gelati Slibulsky, wer hätte das gedacht!«
»Gratuliere. Übrigens glaube ich, du hattest recht mit den Bonbons, da ist was dran.«
»Hmhm«, machte er zufrieden, und wir verabschiedeten uns bis spätestens nächsten Freitag.
In der Küche war Romario dabei, mit einem Schwamm Kalkränder von meiner Spüle zu scheuern. Er hatte Schuhe und Strümpfe ausgezogen und das Hemd
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