Kayankaya 4 - Kismet
und dann ab ins Bett.«
»Vielen Dank, Frau Beierle, für Ihr Verständnis.«
»Aber ach was! Und wenn Sie irgendwas brauchen, rufen Sie mich nur an.«
Wir verabschiedeten uns, und ich fragte mich, wann der Tag käme, an dem ihr aufginge, daß ihr Wauwau mit meiner Hilfe wahrscheinlich nie zurückkehren würde. Und ich fragte mich auch, wie lange ich ihr noch den Kulleraugentürken geben wollte. Denn natürlich hatte die Islamforscherin mich im Branchentelefonbuch wegen meines Namens ausgewählt, und natürlich hatte sie mir bei unserem ersten Treffen lang und breit erklärt, wie das mit den Türken und also mit mir alles so sei. Fleißig, stolz, familienbewußt, Traditionen pflegend, die heimlichen Herrscher Asiens - kurz: Ich war ein großes Volk. Nicht zum ersten Mal faszinierte mich, was Bildung haben und studiert sein alles nicht bedeutete. Aber weil ich seit Wochen ohne Job war und weil sich mein Tagessatz beim Betreten ihrer Villa mit Park automatisch verdoppelt hatte, störte ich sie nicht in ihrer Gewißheit, den Osmanen quasi erfunden zu haben. Erst als sie mir irgendeine grauenhafte Musik vorspielte und an ihrer Miene abzulesen war, daß sie offenbar erwartete, ich würde ein bißchen mittrommeln oder ein Tänzchen hinlegen, gab ich zu bedenken, daß selbst bei einem Volk, das wie aus einer Wurzel gewachsen schien, die Geschmäcker hin und wieder verschieden wären. Woraufhin sie meinte, ich wisse eben nicht mehr, was mir gefalle, westliche Werte und westlicher Lebensstil hätten meine wahre Identität zugekleistert. Um sie bei Laune zu halten, machte ich ihr beim geschäftlichen Teil eine kleine Freude: Ich verdreifachte meinen Tagessatz kurzerhand und ließ mich auf den doppelten runterhandeln, als wäre das bei mir so üblich. Ihr feines, wissendes Lächeln, während sie mir den Scheck ausstellte, schien sagen zu wollen: Sehen Sie, geht doch, der Orientale, wie er leibt und lebt. Wenn ich die Armee-Sache hinter mir hätte und mich doch noch auf die Suche nach Susi machen und sie sogar finden sollte, mußte ich mich mal erkundigen, wie es der Orientale mit Belohnungen hält. Vielleicht gab es irgendein hübsches Sprichwort aus dem fünfzehnten Jahrhundert: Findest du den Hüter meines Hauses, scheiß ich dich mit Gold zu.
Ich machte frischen Kaffee, trank eine Tasse, zog mich an, räumte die Flaschen vor der Tür weg und ging in den Supermarkt. Der Geschäftsführer erklärte mir, die Firma Ahrens habe ihre Lieferungen aus unbekannten Gründen vor drei Monaten eingestellt. Auf die Frage, ob sich die Ahrens-Suppen gut verkauft hätten, antwortete er: »Nicht schlechter als andere Produkte dieser Art.«
Auf dem Rückweg kaufte ich sämtliche Zeitungen mit Frankfurter Lokalteil und dachte an die ausgestorbenen Flure und Büros in Ahrens’ Verwaltungsgebäude. Offenbar war der Laden dicht, nicht nur samstags. Aber wozu hielt man sich dann ein Empfangsfräulein? Noch dazu eins, das den neuen Wind im Haus immerhin so wenig schätzte, daß es einem Feind des Chefs zur Flucht verhalf?
Zu Hause blätterte ich die Lokalteile durch und fand die Meldungen, die ich mehr oder weniger erwartet hatte:
Schwerer Unfall auf der Kaiserstrafe. Unter noch ungeklärten Umständen ist Samstag nacht in der Nähe des Bahnhofs ein pkw völlig ausgebrannt. Beide männlichen Insassen starben im Feuer - Schießerei im Bahnhofsviertel. In der Nacht zum Sonntag weckten morgens um vier Schüsse die Anwohner der Windmühlstraße. .. und so weiter… ein Toter - Unfall mit Fahrerflucht. Unweit des Bahnhofs rammte Sonntag abend ein grauer Mercedes einen afn Straßenrand haltenden pkw und flüchtete anschließend laut Augenzeugenberichten Richtung Sachsenhausen. Die pkw- Insassen kamen mit dem Schrecken davon.
Wenn die Armee so weitermachte, würde selbst eine Autorität wie der Albaner seine Jungs kaum lange daran hindern können, ordentlich Rache zu nehmen.
Den Rest des Nachmittags vertrödelte ich mit Sportteil und Nickerchen. Gegen sieben zog ich mich an und wickelte den Verband ab. Die Schwellung um die Nase war zurückgegangen und hatte eine blaugelbe Färbung hinterlassen. Es sah nicht schön aus, aber auch nicht zum Davonlaufen. Ich steckte eine Pistole ein und machte mich mit meinem Opel auf den Weg nach Offenbach.
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Wäre Marilyn Monroe an-der Seite einer kleinen, dürren, pickligen, ihr Leben lang Zahnspange tragenden Schwester durchs Leben gegangen, hätte man sagen können: Offenbach und Frankfurt
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