Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
aufgeknöpft. Noch ein, zwei Tage, und er würde hier wahrscheinlich nackt rumlaufen - singend, putzend, Sackhaare streuend.
    Er lächelte mir über die Schulter zu und sagte: »Ich mach mich ein bißchen nützlich.«
    »Aber wirklich nur ein ganz kleines bißchen. Hör mal, Romario: Ich bleib an der Sache dran, und ich möchte niemanden bei mir haben, dem das nicht paßt.«
    Er wandte sich um, mit hängenden Schultern, den Putzschwamm in der Hand. »Aber ich hab doch nur ‘n Vorschlag gemacht. Und drauf gekommen bin ich ja vor allem wegen dir, weil sie dich so zugerichtet haben. Was hat der Arzt gesagt? Du hättest sogar Glück gehabt. Also, wenn das Glück ist…«
    Aus dem Schwamm tropfte es auf seine nackten Füße. Ob er es nicht merkte? Ob er so tat, als ob er es nicht merkte, um seine Erschütterung zu unterstreichen? Bei Romanos Bildern des Jammers war mir nie ganz klar, wo die Bilder aufhörten und der Jammer anfing.
    Ich zog aus meiner Hosentasche, was ich noch an Bargeld hatte, zwei Hunderter und ein paar Zehner, legte es auf den Küchentisch und sagte: »Such dir für heute nacht ein Hotel und sag mir morgen Bescheid, wo du in den nächsten Tagen sein wirst. Tut mir leid, aber so läuft’s.«
    Ganz so einfach lief’s natürlich nicht. Vorwürfe, Rückzieher, Angebote, ein paar neue Mitleidtricks und jede Menge Variationen der bekannten Hand-kaputt-Nummer, doch schließlich mußte er einsehen, daß mit mir an diesem Abend nicht zu verhandeln war. Als sich wenig später die Tür betont behutsam - ja, sieh nur, was für ein stilles, bescheidenes Geschöpf du so herzlos auf die Straße schickst - hinter ihm schloß, meinte ich sogar, für einen Moment wieder durch den geschwollenen Nasenklumpen atmen zu können. Dann traf ich ein paar Vorkehrungen: Stellte leere Flaschen als Alarmanlage innen vor die Tür, legte sämtliche Waffen nebens Bett, holte die kugelsichere Weste aus dem Schrank und hängte sie an den Fenstergriff. Anschließend trug ich den Fernseher ins Schlafzimmer, schluckte Schmerztabletten und legte mich vor einen französischen Film, in dem einer, der überfallen wurde, den Dieb anflehte: »Es ist nicht mein Geld.« Worauf der Dieb ungeduldig erwiderte: »Es ist auch nicht für mich.« Als der Abspann lief, machte ich Fernseher und Licht aus. Es war Samstagabend. Aus der Wohnung des Gemüsehändlers tönte Heino herauf. »Komm in meinen Wigwam, Wigwam…« Ob er sich dachte, das sei gute Sex-Musik? Ich bekam das ganze Programm: Hundejapsen, Korkenknallen, Platte von vorne, Mitsingen, noch mal Japsen. Gegen zwei fiel die Haustür ins Schloß, und endlich wurde es still.
     
    9
     
    Die nächsten zwei Tage verbrachte ich im Bett. Niemand störte meine Fernseh-Bohneneintopf-Schokoladeneis-Orgie. Draußen tröpfelte es vor sich hin, und so sollte es nach der Wettervorhersage die Woche über bleiben. Für jemanden mit geschwollenem Gesicht kam die kühle Nässe gerade richtig. Nur einmal schreckte ich hoch, als das Schutzgeldeintreiber-Telefon Alarm schlug. Per Textnachricht wurde mitgeteilt, das Ding sei ab sofort abgemeldet.
    Dienstag mittag fühlte ich mich wieder einigermaßen in Form und rief den Albaner an. Wir hatten uns vor fünf Monaten bei einem Billardturnier kennengelernt und anschließend ein paar Anisschnäpse miteinander gekippt. Kurz darauf hatte ich zufällig erfahren, daß seine zwei Töchter auf dasselbe teure Privatinternat gingen wie der Sohn von Slibulskys Steuerberater. Nach den Erzählungen des Steuerberaters gab’s für die Töchter dort wenig zu lachen. Ihr Klassenlehrer hielt es offenbar für pädagogisch sinnvoll, ihre mangelnden Schulleistungen regelmäßig vor anderen Schülern in einen Zusammenhang mit ihrer Herkunft zu setzen. Abgesehen von der Tatsache, daß beide in Frankfurt geboren waren und mehr Ferien in Florida als in Albanien verbrachten, fand ich, konnte man für zweitausend Mark im Monat pro Internatsplatz plus Nebenkosten Lehrer verlangen, die ihr Hinterwäldlertum wenigstens nicht öffentlich ausposaunten. Normalerweise wäre mir das egal gewesen - Ungerechtigkeiten an Geldelite-Anstalten gehörten nicht zu den Dingen, die mich beschäftigten. In dem Fall allerdings ergab sich eine Möglichkeit, das Verhältnis zum Albaner zu pflegen. Nachdem ich die Verhöre eines Leibwächters und eines Privatsekretärs bezüglich der Gründe meines Anrufs über mich hatte ergehen lassen, kam endlich der Chef ans Telefon. Ich erzählte ihm von den Schwierigkeiten

Weitere Kostenlose Bücher