Kayankaya 4 - Kismet
besten gleich ins Krankenhaus. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen einen Wagen rufen.«
»Gebrochen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Kann ich wegen der Schwellung nicht sehen. Wie haben Sie sich das eingehandelt?«
»Mit ‘ner Dummheit.«
»Aussehen tut es, als hätte Ihnen jemand aus Versehen eine Gartenhacke oder so was ins Gesicht gehauen.«
»‘n Schlagring, und nicht aus Versehen.«
»So.« Er räusperte sich. »Na ja. Wenn Sie sich noch einen Moment ausruhen wollen, bevor Sie ins Krankenhaus fahren, legen Sie Eis drauf.«
Der Arzt ging, und ich beauftragte Romario, im Supermarkt um die Ecke Alkoholnachschub und eine Ahrens-Tütensuppe zu besorgen. Dann schlief ich ein. Als ich zwei Stunden später aufwachte, saß Romario neben meinem Kopf und hielt mir ein Küchentuch voll Eis an die Wange.
»Wie geht’s?« fragte er.
Ich wollte irgendwas antworten, bekam aber nichts raus und machte mit der Hand eine Solala-Bewegung.
»Sobald du dich kräftig genug fühlst aufzustehen, ruf ich ein Taxi, und wir fahren ins Krankenhaus. Deine Suppe gab es übrigens nicht. Aber vielleicht solltest du jetzt sowieso nichts essen. Erst mal abwarten, was beim Röntgen rauskommt. Falls sie operieren müssen, meine ich.«
Ich beobachtete ihn, wie er mit besorgter Miene bemüht war, das Tuch voll Eis so zu halten, daß es kühlte ohne zu drücken. Nach einer Weile schlief ich wieder ein.
Es war kurz nach zehn, als wir aus dem Krankenhaus zurückkamen. Nichts gebrochen, aber jede Menge lädiert, was immer der Arzt damit meinte. Man hatte mir einen Verband um den Kopf gelegt, mir etwas gegen die Schmerzen gespritzt, und ich sollte die nächsten Tage im Bett bleiben. Während ich mich mit Fernbedienung und Mineralwasser auf dem Sofa einrichtete, kochte Romario in der Küche Zeug zusammen, das er auf der Rückfahrt in einem Nachtshop gekauft hatte. Schwaden von verbrannter Butter zogen aus der Küchentür. Ich lehnte mich zurück und schaltete den Fernseher an.
Nach dem Essen und nachdem ich mich wieder mal gefragt hatte, warum Romarios Berufswahl ausgerechnet auf Koch gefallen war, erzählte ich ihm vom Vormittag bei Doktor Ahrens. Er saß vor mir, wie ich mir vorstellte, daß eine meiner mir unbekannten Omas in so einer Situation vor mir gesessen hätte: die Hände zwischen die Knie geklemmt, die Höhepunkte der Erzählung eifrig abnickend und trotz aller Anteilnahme immer mal wieder einen kritischen Blick auf meinen noch halbvollen Teller werfend.
»Das heißt«, schloß ich, »daß du heute nacht wach bleiben mußt.«
Romario zögerte. Da nun alles erzählt und geklärt war, schien ihm wieder sein gewohnter Tagesablauf einzufallen, worin ein regelmäßiger Schlaf zu zivilisierten Zeiten keine ganz unbedeutende Rolle spielte. »Warum?«
»Weil Ahrens rausbekommen könnte, wer ich bin, und dann wird er hier einmarschieren.«
»Hm«, machte Romario skeptisch. »Und dann? Marschier ich ihm entgegen?«
»Dann weckst du mich. Ich hab die Schrotflinte und Pistolen, und bevor die hier reinkommen, hat das halbe Viertel die Polizei gerufen.«
Er begann mit seiner heilen Hand das Geschirr zusammenzustellen. »Woher hast du gewußt, daß Ahrens was damit zu tun hat?«
»Ich hab nichts gewußt. Ich bin hingegangen, um ein bißchen rumzustochern, und plötzlich lief’s von alleine.«
Er brachte das Geschirr in die Küche und klapperte eine Weile herum. Dann kam er mit zwei Schälchen Eis zurück, gab mir eins, setzte sich wieder in den Sessel und fing an langsam vor sich hin zu löffeln.
»Okay, Romario, hab’s kapiert, du willst was sagen, also sag’s.«
»Na ja, sieh mal… Als das letzte Woche alles angefangen hat, da dachte ich, das ist eine normale Schutzgelderpressung wie sonst auch. Und du kannst mir glauben, daß ich kein Feigling bin. Von acht Erpressungsversuchen, seit die Schmitz’ weg sind, hab ich bestimmt fünf abgewehrt. ..«
Soweit ich wußte, war Romario, was das betraf, tatsächlich kein Feigling, was mich immer ein bißchen wunderte. Ich hatte erlebt, wie er mit zwei Schlägern umgegangen war, die ihn vor versammelten Gästen ausnehmen wollten. Dabei hatte er mich an eine bestimmte Art von Großbürgertöchtern erinnert, die sich irgendwann aufmachten, die Welt jenseits von Appartements mit Gästetoiletten und Landhäusern mit Fußbodenheizung zu entdecken, und die mit einer Mischung aus Abenteuerlust, Naivität und Arroganz in die heikelsten Situationen gerieten, ohne sich dessen bewußt zu sein, und
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