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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Ruhe. Aber ohne das geht’s nicht.« Ich tippte mir an die Stirn. »Bis bald. Und glauben Sie bloß nicht, mich hätte hier irgendwas nachhaltig beeindruckt.«
    Ich zog langsam die Tür hinter mir zu, dann beeilte ich mich. Ich flitzte an der Aufzugstür vorbei und, so leise es ging, die Treppe hinunter. Niemand kam mir entgegen, und aus keinem der Büroflure waren Stimmen oder Geräusche zu hören. Die letzten Stufen bis zum Erdgeschoß schlich ich auf Zehenspitzen, lugte um die Ecke und stellte erleichtert fest, daß mich niemand am Aufzug erwartete. Vielleicht sagte sich Ahrens, ein kleiner Scheißer wie ich könne ihm nichts anhaben. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur niemanden zur Verfügung, der mich am Aufzug hätte erwarten können.
    Ich ging den Gang hinunter zur Telefonzentrale und lehnte mich an die schmale Theke. Fräulein Kaugummi sah von einem Bademodenheft auf.
    »Sie haben ja wirklich ‘n originellen Chef. Auch schon mal mit ihm auf Safari gewesen?«
    Sie hob die Augenbrauen, ohne dabei überrascht zu wirken, betrachtete mich prüfend und schüttelte schließlich den Kopf. »Is ‘ne ganz arme Safari. Gibt nur ’n fettes Schwein zu sehen.«
    Ich mußte grinsen und freute mich einen unachtsamen Moment an ihrem schmalen, kecken Gesicht mit einem frisch aufgetragenen, eine Art Echo auf ihre Fingernägel werfenden, unmöglichen türkisenen Lippenstift. Zu spät sah ich den Schreck in ihren Augen. Als ich ihrem Blick folgte und mich umdrehte, stand ein kleiner fetter Mann dicht vor mir.
    »Ei Gude wie?« fragte er und machte mit seinen wulstigen Lippen etwas, das wohl Lächeln sein sollte. »Isch hab gehört, Sie hawwe unserm Boss sein Wagen wiedägefunne. Müsse mer die Schüssel bloß noch abhole. Mache mer des doch gleisch«, sagte er, und ich dachte noch, die Stimme kenn ich doch, und warum hält er seine eine Hand so komisch hinterm Rücken, als er eine für seinen Körperumfang erstaunlich schnelle Bewegung machte, und mein Gesicht explodierte.
     
    Jemand riß an meinem Hemd. Im selben Moment starteten die Schmerzen in meinem Kopf eine Rockerparty mit stampfenden Tänzen, zerklirrenden Bierflaschen und Gehirnzellen-Verkloppen. Etwas Nasses, Klebriges spritzte mir ins Gesicht, ich zuckte zurück und schlug die Augen auf. Durch einen roten Schleier sah ich Fräulein Kaugummi mit einer Fantaflasche über mich gebeugt.
    »Los, hoch mit Ihnen!« flüsterte sie. »Sie müssen weg!«
    Ich gab ihr meine Hand, und sie zerrte daran, bis ich halbwegs aufrecht saß und das Blut um mich herum sah.
    »Jetzt machen Sie schon! Er holt nur jemanden, um Sie runter in den Keller zu schleppen!«
    In den Keller. Ich schaffte es, mich einen Moment zu konzentrieren und mir vorzustellen, was der Fette erst in irgendeinem dunklen Loch mit mir anstellen würde, wenn er mich schon am hellichten Tag im Beisein einer Zeugin mit einem Schlag so zurichtete, daß ich das Gefühl hatte, mir fehle fast alles von dem, was auf ein Paßfoto kommt. Mit aller Kraft und Fräulein Kaugummis Hilfe schaffte ich es auf die Beine. Aus meinem Gesicht tropfte es wie von gewaschenem Salat.
    »Scheuern Sie mir eine!«
    »Äh?«
    »Ich soll aufpassen, daß Sie nicht abhauen, und ich will keinen Ärger, also los: Scheuern Sie mir eine!«
    Ich versuchte auszuholen, aber die Rocker machten in meiner Schulter augenblicklich eine neue Tanzfläche auf, und mein Arm zuckte zurück.
    »Herrgott!« zischte sie, nahm meine Hand, hob sie in die Luft, daß ich erneut aufschrie, und knallte sie sich auf den türkisenen Mund. Keine Ahnung, ob es mein Blut oder ihres war, jedenfalls blieb sie rot verschmiert zurück, als ich aus der Tür auf den Hof stolperte. Der Regen schlug mir entgegen, es war kalt und windig, die zwanzig Meter bis zur Straße schienen endlos, und mein Kopf fühlte sich an wie eine einzige offene Wunde. Am liebsten hätte ich mich auf den Teer geschmissen und geheult. Das letzte, was ich sah, als ich mich auf der Straße noch mal umdrehte, war Doktor Ahrens’ Glück-im-Topf-Lächeln, und ich schwor ihm alle Foltern dieser Welt.
    »Oh, nein!«
     
    8
     
    Romario sprang vom Sessel, nahm meinen Arm und half mir, mich aufs Sofa zu legen. »Was… was ist passiert?«
    »Hab die Armee der Vernunft gefunden.« Meine Stimme klang, als würde ich unter Wasser sprechen. »Hol mir ‘ne Flasche Wodka und ruf den Notarzt.«
    Als der Arzt etwa eine Stunde später seinen Koffer schloß, sagte er: »Das muß geröntgt werden. Fahren Sie am

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