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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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nachzudenken, ihre Hand gegen die Wand, und in ihrer Eile, den Stein zu berühren, zerdrückte sie die Blätter. Sie flüsterte ein grobes Wort, das ihre Kehle wund zurückließ, und das Licht breitete sich vor und hinter ihnen aus.
    “Beeindruckend”, sagte Severn, “weißt du überhaupt, was du gerade gesagt hast?”
    Sie schüttelte den Kopf. Weil sie es wirklich nicht wusste. Im Augenblick war es ihr auch egal.
    Hinter dem Barrani bewegten sich die Schatten.
    Sie waren vertraute Schatten. Man könnte sogar sagen, die Schatten ihrer Kindheit. “Wie viele?”, fragte sie Severn.
    “Ich zähle vier.”
    “Sie können nicht vier nebeneinander angreifen.”
    “Nein. Es sei denn, sie sind dumm.” Sein Tonfall spiegelte ihre Gedanken wider: Darauf bestand keine Hoffnung. Im gleichmäßigen Licht bewegten die Kreaturen sich vorwärts, Augen und Zähne leuchteten, und ihre Stimmen setzten zu ihrem langsamen Knurren an.
    Vier Wilde. Vier jagende Wilde in den Hohen Hallen.
    Kaylin stand neben Severn, die Dolche bereit. Sie konnte einen werfen, sie wollte nicht unbedingt zwei werfen. Aber sie waren nicht zum Werfen ausbalanciert, und selbst wenn sie viel Glück hatte, war ein tödlicher Treffer nicht garantiert. Der Barranilord stand da wie eine Statue, er zog weder sein Schwert, noch bewegte er sich irgendwie. Die Wilden glitten an ihm vorbei, als wäre er gar nicht da. Aber er war da. Wäre er eine einfache Illusion gewesen, wären sie
durch
ihn gegangen, wahrscheinlich auf ihre schwere, dumme Art.
    Wilde jagten alles, was sich bewegte oder atmete. Sie jagten im Rudel, und sie waren nicht wählerisch, was ihre Beute anging. Manchmal waren Barraniwachen von den Wilden gefasst worden, was immer eine Erleichterung für die menschlichen Bewohner der Kolonie Nightshade war.
    Schließlich bedeutete das weniger Wilde. Und vielleicht – ganz vielleicht – ein paar Barrani weniger.
    Die Wilden waren noch etwa drei Meter entfernt, als sie zu heulen begannen. Es war ein Trick, und vor sieben Jahren hätte Kaylin sich von dem Geräusch einfangen lassen. Jetzt war es bloß noch eine Warnung. Ob zwei Beine oder vier, sie hatte schon gejagt. Wilde hatten keine Armbrüste. Sie hatten keine Bogen. Sie hatten keine Magie.
    Sie hatten auch, dachte sie, als sie den rechten Dolch hob und den linken nach hinten streckte, keine Schuppen, und ihre Kiefer waren nicht so groß wie Pferde. Sie konnten nicht fliegen.
    Aber sie konnten
springen
.
    Die vorderen beiden sprangen gemeinsam. Kaylin sah nicht zu Severn, sah nicht hinter ihn, versuchte nicht, sich zu verstecken. Sie wollte es eine Sekunde lang – weniger als eine Sekunde –, aber sie war kein Kind mehr.
    Sie war ein Falke. Ein Bodenfalke.
    Ihre Füße brannten und waren taub. Rennen wäre ihr schwergefallen. Aber beim Kämpfen machte es ihr nichts aus, noch nicht. Sie wehrte das Schnappen eines Kiefers mit einem Stoß ihres Messer ab. Hätte der Wilde nicht so viel Schwung in den Sprung gelegt, wäre es für Kaylin einfacher gewesen. Sie erwartete das Gewicht, aber die Geschwindigkeit war erstaunlich. Sie überließ sich ihren Reflexen und schaltete ihren Verstand aus.
    Sie riss ihren linken Arm hoch und nach innen, dann stieß sie den zweiten Dolch auf den kurzzeitig entblößten Hals des Wilden. Sie spürte Fell und Hitze, sah Augen, in denen sich das Licht spiegelte. Der Wilde sprang zurück, blutete.
    Severns Angreifer hatte diese Gelegenheit nicht. Er rammte seinen Arm
in
den offen stehenden Kiefer und durchtrennte den halben Hals. Das Knurren wurde zu einem Gurgeln, Severn war bereits in Bewegung, Bewegung nach vorn.
    Kaylins erster Wilder drehte sich um, um nach Severn zu schnappen, als er an ihm vorbeirannte. Doch sie rammte beide Dolche unterhalb seiner Wirbelsäule in sein Fleisch und kreuzte ihre Waffen mit einer sauberen, brutalen Bewegung. Mehr Blut. Weniger Fell. Das Aufblitzen von frei liegenden Knochen. Mit einem Fußtritt brachte sie den Wilden zu Boden und zog ihre Klingen gerade rechtzeitig frei, um sich gegen den dritten zu wehren.
    Der Gang war schmal.
    Der Wilde war laut. Lauter, als sie es in Erinnerung hatte, und sie erinnerte sich an die Wilden. Ihren Geruch. Die Angst, die sie entfachten. Die Verzweiflung der Nacht in den Kolonien.
Elianne.
    Ihr alter Name.
    Und nicht ihr Name. Ihr Arm zuckte, als sie versuchte, ihn zurückzuziehen. Der Wilde hatte einen Mundvoll Seide zwischen seinen Kiefern, und er ließ nicht los. Das war dann wohl so, stellte Kaylin

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