Kebabweihnacht
bei euch ist ja irgendwie der Familienzusammenhalt doch so stark, dachte ich.«
|60| »Irgendwie, dachtest du. Na ja, so unrecht hast du nicht, manches geht ein bisschen schwerer bei uns. Und wenn du es für dich behältst, verrate ich dir etwas: Ich werde zu Hause auch nicht ausziehen, ich werde bei euch zusätzlich einziehen.«
»Wieso das?«
»Weil es tatsächlich – jedenfalls in meiner Familie – schwer ist, zu Hause auszuziehen. Weil mein Vater der Meinung ist, dass Menschen, die sich eine eigene Wohnung nehmen, bevor sie verheiratet sind, nur unmoralische Absichten haben. Es gäbe nur unnötig Stress, wenn ich ausziehen würde, also ziehe ich bei euch ein, ohne zu Hause auszuziehen, die brauchen nicht zu wissen, dass ich noch ein Zimmer habe, verstehst du?«
Alex verstand. Noch am selben Abend stellte er ihn seinen beiden Mitbewohnern vor. Es gab vier Zimmer und eine gemeinsame Küche. Die Miete war erträglich, und so wurden die vier schnell handelseinig.
»Du wirst also nicht immer da sein«, stellte Jan noch einmal fest. »Das ist gar nicht schlecht, was die Benutzung von Bad und Toilette angeht.«
»Wie machen wir das denn mit dem Putzplan?«, fragte Marcel. »Ich meine, wenn du nicht immer da bist, wirst du auch nicht ein Viertel des anfallenden Putzens übernehmen wollen.«
»Ihr teilt mich einfach ein«, sagte Umut, »ich halte mich dann an die Putzpläne!«
»Na supi! Dann herzlich willkommen in der Bruchbude!«, sagte Marcel.
|61| Als Umut die Wohnungsschlüssel in der Tasche spürte, konnte er es nicht fassen, dass sein Traum in Erfüllung gegangen war. Es war der 4. Dezember, der Tag der heiligen Barbara. Er ging feierlich in die Stadt und kaufte einige Kirschzweige, die er ins Wasser stellte, damit sie Heiligabend aufblühten. Die stellte er in sein völlig kahles Zimmer und überlegte, wie er es gestalten wollte. Das Zimmer war nicht schlecht geschnitten, mit einem großen Fenster und sogar einem Balkon. Übernachten würde er hier erst einmal nicht, also brauchte er vorerst auch kein Bett, sondern nur das, was aus diesem Zimmer ein echtes Weihnachtszimmer machen würde. Übermorgen, am Nikolaustag, wollte er seinen Mitbewohnern etwas Schönes in die Stiefel stecken, aber jetzt musste er erst einmal einkaufen gehen.
Umut war richtig glücklich. Sein Traum war wahr geworden, er hatte sein Zimmer, sein eigenes Zimmer, das er schmücken und gestalten konnte, so wie er es wollte. Sein Weihnachtszimmer! Man muss sich eine Sache halt nicht nur wünschen, dachte er, man muss auch den Mut aufbringen zu handeln. Ich habe es geschafft! Ich habe es geschafft! So summte es in ihm. Ab jetzt wird es nur noch schön sein!
|63|
DIE NIKOLAUSÜBERRASCHUNGEN waren gelungen, seine Mitbewohner waren echt gerührt gewesen, sie hatten ihrerseits Umut auf den Weihnachtsmarkt eingeladen, und er hatte die Einladung gerne angenommen. Bei der Gelegenheit hatten sie darüber gesprochen, wer Heiligabend in der gemeinsamen Wohnung sein würde, es stellte sich heraus, dass alle bei ihren Eltern sein würden. »Du bist doch auch nicht da, oder?«, fragte Alex.
»Nein, natürlich nicht«, antwortete Umut. Ich werde also allein da sein, dachte er, aber er hütete sich, sein Geheimnis preiszugeben.
Über so viel Unvermutetes, aber Angenehmes hatte er glatt die Dekoration bei den Rohowskys vergessen. Oma Rohowsky hatte ihn schon auf der Treppe angesprochen: »Hast du uns vergessen, Umut?«, hatte sie gefragt. »Wir warten auf ›Weihnachten in der Provence‹!«
Umut schämte sich ein bisschen. »Morgen, Oma Rohowsky, versprochen«, hatte er gesagt. Und so war er heute Abend bei den Rohowskys. Als er nach drei Stunden fertig war, sah das alte Wohnzimmer der Rohowskys aus wie aus einer Designzeitschrift.
|64| »Den Weihnachtsbaum hole ich euch nächste Woche«, sagte er, »der ist zu schwer für dich, Opa, und dann schmücke ich ihn auch gleich noch. Ich weiß nämlich nicht, wie viel in der letzten Woche im Kaufhaus los sein wird. Ist euch das recht?«
»Uns ist alles recht«, sagte Maria Rohowsky, »wenn ich mir die Pracht hier ansehe. So schön habe ich mir das nicht vorgestellt. Also, Umut, ich halte mal fest: Du kannst das! Mein Kompliment!«
»Wirklich, gefällt es euch?«, fragte Umut mit rosigen Wangen.
»Ob es uns gefällt? So schön war dieses alte gammlige Wohnzimmer seit Jahrzehnten nicht mehr!«
Wenn ihr erst mein Weihnachtszimmer sehen könntet, dachte er. Es war schade, dass Oma und Opa Rohowsky
Weitere Kostenlose Bücher