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Kebabweihnacht

Kebabweihnacht

Titel: Kebabweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lale Akgün
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    Alle waren ganz still, es blieb ihnen auch nichts anderes übrig, denn Hülya war wie eine Feuerwalze, die über alles hinwegredete.
    Arif war völlig durcheinander, denn so kannte er seine Frau nicht. Er wusste, dass sie in vielen Dingen, und vor allem in religiöser Hinsicht, seine Meinung nicht teilte. Er wusste auch, dass sie sich ein anderes Leben gewünscht hatte, für sich und auch für ihn; dass sie es oft genug bereut hatte, ihn geheiratet zu haben, wobei es ihm nicht anders erging. Aber sie |70| drückte ihre Missbilligung zumeist durch Schweigen aus, und das war ihm sehr recht. Und sie hatte es in den letzten Jahren aufgegeben, aus diesem Leben ausbrechen zu wollen, und er hatte ihre Resignation als Akzeptanz interpretiert. Es war das erste Mal, dass sie so laut widersprach.
    Auch Ayla war sehr erstaunt, auch sie hatte ihre Mutter nie anders erlebt als still und stumm. Normalerweise kratzte ihre Mutter nie am Feindbild ihres Vaters, sie widersprach nie, wenn ihr Vater wieder anfing, über die Nicht-Muslime herzuziehen; sie schwieg, oder sie wechselte das Thema. Aber heute hatte sie ihm nicht nur klipp und klar widersprochen, sie hatte ihn auch zurechtgewiesen. Hatte sie ihre Mutter all die Jahre unterschätzt? Ayla war all die Jahre davon ausgegangen, dass ihre Mutter es nie wagen würde, ihrem Vater zu widersprechen. Sie verachtete ihre Mutter sogar, die immer nur von der Hoffnung auf ein anderes Leben gezehrt, aber nie die Courage besessen hatte, auch nur einen Traum zu verwirklichen. Sie wollte auf keinen Fall so werden wie ihre Mutter, nicht mal äußerlich wollte sie ihr ähnlich sein; das war auch mit der Grund, warum sie immer halb hungrig durchs Leben lief, um bloß nicht zuzunehmen, denn sie hatte ohne Zweifel ihre Gene geerbt, und die Mama war hübsch mollig. Ayla verband mit dieser Figur Passivität, Antriebslosigkeit und Schwäche. Und sie hatte das Gefühl, wenn sie zunehmen würde, dann würde sie wie ihre Mutter werden, unfähig, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen. |71| Aber jetzt wirkte ihre Mutter ganz anders: Während sie ihrem Mann energisch widersprach, nahm Ayla die Mutter nicht mehr als dick und schwach wahr, sondern als stark und würdevoll. Komisch, es war doch dieselbe Frau, mit derselben Figur, aber sie war wie ausgewechselt.
    Das war eine schwierige Situation für Ayla, denn meistens reichte es, Vaters Position zu unterstützen, um ohne Konflikte durchs Familienleben zu kommen, aber was wäre, wenn die Mutter in Zukunft eine eigene Position vertreten sollte? Das würde ihr Leben durchaus verkomplizieren, denn inhaltlich stand Ayla auch nicht hinter dem dummen Zeug, das ihr Vater daherredete.
    Aber nicht nur Ayla war erstaunt, auch Umut traute seinen Ohren nicht. Wenn die Mama so sprach und so dachte, dann könnte er vielleicht doch …
    Nach dem Essen ging Umut zu seiner Mutter. Sie war in ihrem Schlafzimmer und fühlte sich gerade sehr allein. Keines ihrer Kinder hatte etwas gesagt!
    Sie nahm nicht an, dass die beiden genauso dachten wie ihr Vater, aber sie hatten sich wohl nicht getraut, ihr zur Seite zu springen, aus Angst oder was auch immer. Ich hätte viel eher den Mund aufmachen müssen, dachte sie, schon wegen meiner Kinder, ich habe geschwiegen, weil ich glaubte, sie brauchen ein harmonisches Elternhaus. Aber es war ein Fehler. Denn erstens war das kein harmonisches Elternhaus, sondern eines, in dem aus Angst geschwiegen wurde. Hatte sie Angst vor ihrem Mann? Sie musste lächeln. |72| Nein, sie hatte ganz sicher keine Angst vor ihrem Mann, sie hatte nur Verachtung für ihn, und geschwiegen hatte sie aus purer Bequemlichkeit. Was war aus ihr geworden? Aus ihr, die vor zwanzig Jahren diesen Mann geheiratet hatte, um nach Europa zu gehen, um zu studieren, um die Welt aus den Angeln zu heben. Sie war als verbitterte, frühzeitig gealterte Frau geendet, die aus lauter Bequemlichkeit den Mund hielt. Jetzt spürte sie auch eine gewisse Verachtung für sich selbst. Denn die Konsequenzen hatte nicht nur sie zu tragen, sondern auch ihre Kinder hatten damit zu leben, die waren zu Duckmäusern geworden, die – wider besseres Wissen – dem Vater nicht widersprachen. Halt! Umut versuchte es ja, aber hatte sie ihn je unterstützt?
    »Mama«, sie drehte sich um und sah Umut, der ganz leise ins Zimmer getreten war. »Mama, ich muss dir was sagen!«
     
    Umut beichtete seiner Mutter alles. Er erzählte ihr von seiner Verzweiflung, nicht Weihnachten feiern zu

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