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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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jederzeit über alles, was in seiner Familie geschah, genauestens Bescheid wusste.
    »Auch über Steffen Meier?«, fragte Marcel wie nebenbei. Nein, von dem habe er nie etwas erfahren. Auch nicht, dass sich Pia mit einem Mann aus ihrer bösen Vergangenheit E-Mails geschrieben hatte. Das hätte er sofort unterbunden.
    Hätte ich einen Wunsch frei, würde ich um Pattis Unschuld bitten, denke ich, als ich zum Wohnzimmer gehe, um das Mädchen zu wecken. Marcel wird sie in einer Stunde abholen; sie sollte ordentlich gefrühstückt haben, bevor sie dem Verhör ausgesetzt wird. Leise stoße ich die Tür auf.
    Patti ist schon wach. Sie hat sich gerade die Bluse ausgezogen und erschrickt sichtlich, als sie mich sieht.
    »Entschuldigung«, sage ich, »ich dachte, du schläfst noch.«
    Sie greift zu spät nach der Wolldecke. Denn ich habe ihre Arme gesehen, überzogen von Schnitten, Rissen und Narben.
    Ich schlage eine Hand vor den Mund.
    »Ritzen hilft«, sagt Patti ruhig. Sie hebt den verknitterten Rock und zeigt mir die zerstörte Haut ihrer Oberschenkel. »Ohne das hätte ich es gar nicht aushalten können.«
    »Pia auch?«, frage ich flüsternd.
    »Nein«, antwortet Patti, »die hungert.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen, wie ich reagieren soll, bleibe einfach an der Tür stehen, während mir Tränen in die Augen schießen.
    »Haben Sie ein Bügeleisen?«, fragt Patti. »Verknittert mache ich mich bestimmt noch verdächtiger.«
    Ich reiße mich zusammen und schlage dem Mädchen vor, ins Bad zu gehen. Während sie sich wäscht, bügele ich ihre fliederfarbene Discounterbluse und den grauen Baumwollrock. Bedauere sehr, dass ihr keines meiner Kleidungsstücke passt. Ich möchte ihr so gern etwas schenken.
    Als sie wieder angezogen ist, lege ich ihr meinen violetten Paschminaschal um die Schultern.
    »Eine wunderschöne Farbe für dich«, erkläre ich. »Passt auch gut zu deinen Sachen.«
    »Für mich?«, fragt sie mit großen Augen und berührt ehrfürchtig einen Zipfel Kaschmir.
    »Ja. Ein Glücksbringer«, sage ich. »Den wirst du brauchen können. Und jetzt gehen wir ins Restaurant frühstücken.«
    Sie hält Linus am Halsband, als wir die Bundesstraße überqueren.
    »Gäste!«, ruft sie überrascht. »Ich denke, Sie haben geschlossen?«
    »Habe ich auch«, sage ich und mustere die alte Frau, die gerade vor der Einkehr aus einem Taxi steigen will. Das Gipsbein bereitet ihr dabei sichtlich Schwierigkeiten. Das kann eigentlich nur Davids Mutter sein. Aber wie hat sie das so schnell über den großen Teich geschafft? Beam me up, Scotty. Wahrscheinlich sind Davids ominöse alte Kontakte reaktiviert worden.
    Ich eile an die geöffnete Wagentür.
    »Mrs. Quirk, I presume?«
    Unter sorgfältig ondulierten blaugrauen Haaren strahlen mich Daniels Augen an.
    »Nein, Kind«, sagt sie lachend. »Hier bin ich doch die Mathilde. Und du bist bestimmt die Katja?«
    »Katja Klein. Guten Tag und willkommen«, sage ich und reiche ihr einen Arm. »Darf ich Ihnen helfen, Mathilde?«
    An das Du traue ich mich nicht heran. Das verbietet in diesem Landstrich ohnehin der Respekt vor dem Alter, wiewohl es üblich ist, dass Ältere Jüngere duzen. Im Zweifelsfall nehmen alle Generationen Zuflucht zum Ihr und Euch, aber das ist mir noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen.
    Davids Mutter hievt sich an meinem Arm aus dem Wagen.
    »Danke«, sagt sie zu uns beiden, nachdem Patti die Krücken vom Rücksitz gezogen und ihr gereicht hat. »Katja Klein«, überlegt sie. »Verwandt mit den Kleins vom Laden in Halzech?«
    Der amerikanische Akzent verleiht der Eifeler Bezeichnung für Hallschlag eine seltsam exotische Note.
    »Das waren meine Großeltern«, sage ich überrascht, »die ich selbst nie kennengelernt habe.« Ich verkneife mir das leider . Weil ich nicht weiß, ob sich nicht nur Gudruns, sondern auch meine Vorfahren an der Frau vor mir versündigt haben.
    »Das ist schade«, sagt sie, »waren sehr liebe Leute. Die haben mir immer ein Bonbon zugesteckt.«
    Sie blickt über die Straße und deutet auf mein belgisches Bruchsteinhaus.
    »Das kenne ich noch«, erklärt sie begeistert, wendet sich dann Patti zu. »Aber dich nicht. Ist das deine Tochter, Katja?«
    »Nein«, sage ich, »leider nicht.«
    Das Wort, das ich soeben noch vermieden habe, kommt mir jetzt leicht über die Lippen. Das Wort selbst mag im Schmerz wurzeln, aber es zaubert das erste Lächeln in Pattis Gesicht.
    Es wird ein unerwartet fröhliches Frühstück. Wir sitzen an einem

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