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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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zehnjährige Patti hatte gerade die Kühe gemolken und sah den Fremden fragend an.
    »Willst du deinem Onkel keinen Kuss geben?«, fragte er, als er aus seinem Wagen stieg. So erfuhr Patti, dass ihre Mutter eine Schwester hatte. Die war aber nicht mitgekommen. Und ihre Mutter schien vom Besuch des Schwagers keineswegs beglückt zu sein. Sie zog sich mit ihm zu einer längeren Besprechung ins Arbeitszimmer von Paul Prönsfeldt zurück. Alte Familiengeschichten, sagte die Mutter, als sie wiederauftauchte, die hätten euch nur gelangweilt. Pia und Patti fanden Onkel Dieter toll. Er spielte Uno mit ihnen und zeigte ihnen Kartentricks. Die Zeit verging wie im Flug. Weil der Vater mit seinem Viehhandel unterwegs war, wollte Onkel Dieter gern über Nacht bleiben. Damit ein Mann im Haus ist. Dabei bin ich gar nicht so mutig, verriet er seinen Nichten, er fürchte sich allein im Dunkeln. Dafür gab es eine Lösung. Nach einer Kissenschlacht krochen die beiden Mädchen zu ihm ins Gästebett. In jener Nacht rührte er sie nicht an.
    Am nächsten Morgen hätten die Mädchen eigentlich zur Schule gehen müssen. Onkel Dieter fand einen Besuch im Kölner Zoo schöner. Pia und Patti auch. Eine Ausrede für die Schule werde seine Schwägerin schon finden, meinte Onkel Dieter, als er mit den Mädchen in den Zoo fuhr. Vor dem Elefantengehege fotografierte er seine beiden Nichten.
    »Es war der letzte schöne Tag in meinem Leben«, sagte Patti am Küchentisch des Gnadenhofs.
    Nach dem Zoo führte Onkel Dieter seine Nichten in eine Konditorei, wo sie den größten Eisbecher ihres Lebens bestellen durften. Und dann zeigte er ihnen, wo er arbeitete. Eine Schule, in der nur Musik gemacht wurde. Er erlaubte Pia und Patti, sich in einer großen Halle auf die Bühne zu stellen und alle Lieder herauszuschmettern, auf die sie gerade Lust hatten. Er war ganz begeistert von ihren Stimmen und sagte, sie würden einmal große Künstlerinnen werden. Wie gut, dass er ihnen dabei helfen könne. Aber der Weg an die Spitze sei weit und steinig. Ob sie bereit wären, den zu gehen? Aber natürlich, jubelten die kleinen Mädchen auf ihrer rosaroten Traumwolke im Kölner Frühling.
    Dann fangen wir sofort damit an, sagte Onkel Dieter, ihr seid genau im richtigen Alter dafür, neun und zehn. Nur wer ins Wasser springt, lernt schwimmen, ihr könnt gleich loslegen. Ab ins Auto. Inzwischen war es dunkel geworden. Er fuhr sie zu einem Haus in einer Gegend, wo die Straßenlaternen nicht so viel Licht gaben wie in der Stadtmitte. Sie stiegen aus und gingen durch einen ziemlich finsteren Hof. Keine Angst, sagte Onkel Dieter, gleich wird es hell und ganz doll gemütlich. Im zweiten Haus hinter dem ersten stellte er sich vors Guckloch einer Tür im Parterre und klingelte. Eine Frau öffnete. Sie begrüßte Onkel Dieter mit einem Kuss und Pia und Patti wie sehnlich erwartete Gäste.
    Ihr könnt gleich auftreten, sagte Onkel Dieter, müsst euch aber erst frisch machen. Ihr riecht ja nach Zoo. Er stieg mit ihnen in eine große sprudelnde Badewanne und wusch sie gründlich, damit sie auch richtig sauber wurden. Pia und Patti gaben ihm in der Badewanne einen neuen Namen. Sie nannten ihn Henry nach ihrem Hengst in Weckerath. Weil dem auch manchmal ein zusätzliches Bein wuchs. Sie dürften es ruhig anfassen, meinte Onkel Dieter, aber das trauten sich die Mädchen nicht. Sie zogen Badeanzüge an, damit sie nicht zu sehr schwitzten bei ihrem Auftritt. Der fand auf einer kleinen Bühne mitten in einem Saal mit vielen Vorhängen statt. Es war wirklich sehr heiß, denn auch die schönen jungen Frauen und die vielen Männer auf den gemütlichen roten Sitzlandschaften trugen hübsche Badesachen. Pia und Patti sangen die gleichen Lieder wie am Nachmittag in der Musikschule; Patti wagte sich sogar an die zweite Stimme heran. Es gab tobenden Applaus. Es ist zu spät, um heimzufahren, sagte Onkel Dieter und zeigte ihnen ein winziges Zimmer mit einem großen goldenen Bett. Plötzlich gab es ganz viel Lärm. Laute Schreie. Die Frau stürzte ins Zimmer und Onkel Dieter zum Fenster.
    Ihr seid von zu Hause abgehauen und von selbst hergekommen, sagte die Frau zu den Mädchen. Nur das sagt ihr, nichts weiter. Sonst kommt ihr ins Heim. Als uniformierte Polizisten das Zimmer stürmten, waren Patti und Pia zu verängstigt, um überhaupt etwas zu sagen. Genau wie später beim Arzt. Da nannten sie nur ihre Namen. Die bei der Polizei mit der Vermisstenmeldung des Vaters abgeglichen wurden. Ihr

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