Kehraus fuer eine Leiche
ja nicht so, dass ich kein Geld hätte, nur eben keine Zeit, um es bei der Bank abzuholen. Weil sich die Ereignisse überstürzen. Heute vor einer Woche habe ich mit großem Brimborium mein Restaurant eröffnet. Wie gern würde ich die albernen Ängste, die mich an jenem Tag geplagt haben, gegen die eintauschen, mit denen ich jetzt zu tun habe.
Eine besonders große Sorge hat Marcel ausgeräumt. Jupp hat tatsächlich ein bombensicheres Alibi für den Mord an Steffen Meier. Das teilte mir Marcel gestern Abend in der Küche des Gnadenhofs mit.
Jupp war mit Heins Auto direkt nach unserem Brunch in Kronenburg zum Flohmarkt nach Hillesheim gefahren. Der Händler aus Euskirchen konnte sich noch sehr gut an die ermüdenden Verhandlungen mit dem baumlangen bärenstarken Mann erinnern, der ihm den Biedermeierschrank zwar doch nicht abgekauft, aber vor Ort ein wackliges Teetischchen repariert und Unmengen an Kaffee und Kuchen ausgegeben hatte.
Wie Marcel gestern Abend in nur zehn Minuten von Schönberg auf die Kehr gekommen ist, will ich auch jetzt nicht wissen. Zumal ich seinen halsbrecherischen Fahrstil schon eingerechnet hatte, als ich Patti sagte, er könne in einer Viertelstunde bei uns sein.
»Wie gut, dass dir nichts passiert ist«, flüsterte er mir zu, als ich ihm die Tür des Gnadenhofs öffnete.
»Danke gleichfalls«, erwiderte ich trocken.
Er hatte Pattis Enthüllungen an seinem Handy in voller Länge mit angehört. Das Mädchen würde keine Nacht mehr mit ihren Eltern unter einem Dach verbringen können, so viel war uns allen klar. Zumal Marcel veranlasst hatte, dass dem Ehepaar Prönsfeldt noch an jenem Abend ein Besuch der Prümer Polizei ins Haus stand.
»Ich rede nur mit der belgischen Polizei«, erklärte Patti, als ihr Marcel auseinandersetzte, dass auch sie den rheinlandpfälzischen Beamten zur Verfügung stehen müsse. Patti lehnte das kategorisch ab: »Damit Sie es gleich wissen, Herr Polizist: Ich bleibe keine Minute länger in diesem Haus. Ich möchte bei Frau Klein übernachten.«
Marcel sah mich an. Mir sank das Herz in die Jeans. Alles in mir schrie nach Ruhe. Es war ein furchtbarer Tag gewesen, mit einem grauenerregenden Ende. Ich wollte nur noch allein in mein Haus zurückkehren, die ganze scheußliche Welt da draußen ausschließen, mich ins Bett legen und nicht länger an all das Grausame denken, das Menschen einander antun können und angetan haben. Nach diesem langen fürchterlichen Tag sah ich mich nicht in der Lage, auch noch ein gestörtes Mädchen, so beklagenswert ihr Schicksal auch war, bei mir logieren zu lassen.
Marcel beriet sich mit mir unter vier Augen in der Diele des Gnadenhofs. Er könne das Mädchen auch in einer Zelle der Polizeizone Eifel in Sankt Vith beherbergen. Eigentlich sei er sogar dazu verpflichtet, gestand er. Schließlich lägen gegen Patti sehr handfeste Verdachtsmomente im Fall Steffen Meier vor. Sie sei derzeit die Hauptverdächtige. Und müsse morgen ohnehin noch einmal offiziell vernommen werden. Seine Vorgesetzten würden sehr beglückt sein, sie schon in Belgien festgesetzt zu wissen. Was sie bei mir in gewisser Weise ja auch wäre, sagte er bittend. Ihm sei einfach wohler bei dem Gedanken, Patti in dieser Nacht in meiner Obhut zu wissen. Als einfühlsamer Mensch würde ich Balsam für die geschundene Seele des Mädchens sein.
Da knickte ich ein. Ich hatte auch schon einmal in der Zelle der Polizeizone Eifel übernachtet und habe keine guten Erinnerungen daran. Nach allem, was Patti am Küchentisch erzählt hatte, wäre es wahrlich herzlos gewesen, das Mädchen in einem kahlen Kerker sich selbst zu überlassen. Marcel versprach, sie um zehn Uhr morgens abzuholen, und fuhr uns beide nach Hause.
Meine Angst vor einer langen Nacht mit finsteren Gesprächen war unbegründet. Wir wechselten kaum ein Wort. Ich zeigte Patti Küche und Badezimmer, dann streckte sie sich gänzlich angezogen sofort auf dem Sofa im Wohnzimmer aus und war eingeschlafen, noch ehe ich ihr eine Decke übergelegt hatte. Worüber hätten wir auch reden sollen? Es war alles gesagt worden.
Ich blieb noch eine Weile neben ihr im Dunkeln sitzen und hörte ihren gleichmäßigen Atemzügen zu. So friedlich hatte sie bestimmt seit Langem nicht mehr geschlafen.
Das Böse trat in Gestalt von Onkel Dieter ins Leben der beiden Prönsfeldt-Schwestern. Sie kannten diesen Verwandten nicht, als er an einem schönen Frühlingstag auf dem kleinen Hof im belgischen Weckerath einfuhr. Die
Weitere Kostenlose Bücher