Kehraus fuer eine Leiche
seid also ausgerissen? Pia und Patti nickten. Sie wurden nach Hause gefahren. Die Mutter wollte nichts hören. Das muss euer Geheimnis bleiben, sagte die Frau, die sie auf die Reise mit Onkel Dieter geschickt hatte, sonst passiert etwas Schreckliches.
»Wäre es doch auch!«, jammerte Petra Prönsfeldt, als Patti an diesem Part der Geschichte vielsagend aufblickte. »Außerdem hat euch damals niemand etwas getan.«
»Damals nicht«, fuhr Patti fort. »Erst zwei Jahre später. Als Onkel Dieter wiederauftauchte. Und Papa die Musikschule zeigte.«
Den Mädchen zeigte er das Casting-Bett im Zimmer über dem Bordell. Der Erfolg verlange Opfer, sagte er. Nachdem er Patti und Pia entjungfert hatte, ließ er sieben weitere Männer über die Mädchen herfallen. Die nach anfänglichem Schreien und Weinen dann wie betäubt alles über sich ergehen ließen. Jetzt seid ihr eingeritten, sagte Onkel Dieter, nachdem am Morgen der letzte Mann gegangen war. Zur Erinnerung an alte Zeiten fuhr er mit ihnen in den Zoo, blieb den ganzen Tag an ihrer Seite. Patti erinnerte sich nicht mehr, wie viele Männer in der folgenden Nacht das Zimmer aufsuchten. Sie flehte ihre kleine Schwester an, es so wie sie zu machen. Den Körper hinzuhalten und dabei den Kopf woandershin reisen zu lassen. Aber wenn mir einer auf den Popo haut, weinte Pia, das tut doch weh. Denk einfach, es ist Papa, weil du böse gewesen bist, sagte Patti, dann ist es nicht mehr so schlimm. Wir sind ja auch wirklich böse Mädchen. Das bestätigte Onkel Dieter am nächsten Morgen. Aber damit könnt ihr sehr reich und unabhängig werden, sagte er und steckte jeder Nichte hundert Euro zu. Nächstes Wochenende machen wir weiter. Bis ihr groß seid. Dann ist eure Ausbildung beendet, und ihr könnt allein weitermachen. Auf der Rückfahrt übte er mit ihnen ein neues Lied mit vielen Strophen ein. Eurem Papa sagt ihr nichts, aber mit eurer Mama könnt ihr über alles reden, beschied er ihnen, als er sie am elterlichen Hof in Belgien absetzte.
»Aber du wolltest nicht mit uns reden«, fuhr Patti ihre Mutter an. »Ich habe es immer wieder versucht. Ich habe dich angefleht. Gebettelt. Ich wollte, dass endlich Schluss ist. Aber du hast gesagt, ich soll den Mund halten und tun, was mir gesagt wird, sonst setzt es was.«
»Ich hätte es nicht ertragen«, murmelte Petra Prönsfeldt. »Ich stellte mir vor, dass ihr wirklich Musikstunden habt. Ich wollte nicht wissen, was der Dieter mit euch tut.«
»Du hast es gewusst. Du hättest es stoppen können!«
»Hätte ich nicht. Dann wäre alles aus gewesen. Und alles umsonst. Papa hätte sich scheiden lassen, ihr wärt getrennt worden und in ein Heim gekommen. Alles wäre kaputtgegangen.«
»So wie die Pia jetzt kaputtgegangen ist?«, fragte Patti bitter.
»Man überlebt so was«, erklärte ihre Mutter. »Habe ich doch auch.«
»Du hast uns verkauft.«
»Nein!«, brüllte Petra Prönsfeldt. »Ich habe nie Geld von ihm genommen!«
Ihr Schwager hatte sich ihr Stillschweigen mit der Drohung erpresst, ihrem Mann ihre eigene Vergangenheit als Hure zu verraten. Zu der er sie als Neunjährige gemacht hatte.
»Ich weiß, wie schlimm das ist«, jammerte Petra Prönsfeldt. »Aber es geht doch vorbei! Man vergisst das alles und fängt sein Leben neu an. Man wird erwachsen. Mit sechzehn dachte ich auch, dass mein Leben zu Ende ist. Bevor es richtig begonnen hatte. Aber dann ist für mich doch noch alles gut geworden. Als ich euren Papa auf der Kirmes in Hückeswagen kennenlernte.«
»Ja«, kam ein tiefer Seufzer von der Tür. Von uns allen unbemerkt war Paul Prönsfeldt ins Haus zurückgekehrt. »Ein liebes unschuldiges Mädchen aus der deutschen Provinz. Dachte ich. So kann man sich irren.«
Die Wahrheit über seine Töchter erfuhr er erst, nachdem er den Brief der Musikschule erhalten hatte. Der übrigens Pattis Idee gewesen war. Aufgebracht fuhr er nach Köln und sprach in der Kölner Musikschule vor. Nur um zu erfahren, dass die Mädchen dort nie angemeldet gewesen waren. Und dass der Lehrer Dieter Koratsch wegen sexueller Handlungen mit Schutzbefohlenen und Mädchenhandels steckbrieflich gesucht wurde. Onkel Dieter wollte keine Goldkehlchen, sagte Patti, als der Vater sie nach seiner Rückkehr aus Köln zur Rede stellte und sie die ganze bittere Geschichte enthüllte, der wollte Goldgruben.
Paul Prönsfeldt ließ sich nicht scheiden. Er gab den Viehhandel auf und pachtete den Gnadenhof. Sorgte mit großer Strenge dafür, dass er von da an
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